Wer bei Dennis Gehl in Lübeck-Travemünde für dieses Jahr noch eine Hochzeitsfeier in der "Küstenscheune" oder im Forsthaus buchen will, muss sich beeilen. Fünf Daten waren Anfang Juni auf der Homepage seiner Eventagentur noch frei. "Bis auf diese Termine ist dieses Jahr dicht", sagt Gehl. "Und für nächstes Jahr haben wir auch schon eine ganz gute Buchungslage."
Große Feiern mit vielen Menschen waren seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 immer wieder ganz verboten oder nur mit Einschränkungen möglich. Aus diesem Grund mussten viele Paare ihre Hochzeitsfeiern verschieben, oft mehrere Male. "Da ist viel Emotion dabei - bei einer Hochzeit sagt man nicht so einfach 'Ich verschieb mal' wie bei einer Geburtstagsfeier", sagt Gehl.
Trotzdem hielten die meisten Paare an der Idee einer großen Feier fest. Man habe fast immer eine gute Lösung gefunden, sagt er, sodass 90 Prozent der Feiern nicht abgesagt, sondern nur verschoben worden seien. Auch darum ist es für Paare zurzeit schwer, noch einen Termin zu bekommen: Dieses Jahr haben Hochzeitslocations wie die von Gehl es mit einer Mischung aus Verschiebern und neuen Buchungen zu tun.
Nicht alle geplante Feiern werden nachgeholt
Orietta Angelini organisiert Hochzeiten in Venedig. Auch bei ihr stehen noch sechs bis sieben Hochzeiten aus den Vorjahren im Kalender. Rund 40 sind es insgesamt, die die in Berlin lebende Italienerin in diesem Jahr plant. "Dieses Jahr läuft es sehr gut. Ich bin jetzt schon in der Vorbereitung für 2023", erzählt Angelini. Mehrere Paare, die bereits bei ihr gebucht hätten, hätten allerdings inzwischen abgesagt, zwei reagierten trotz Anzahlung nicht mehr auf ihre Mails.
Ihre Kunden buchen bei ihr verschiedene Arrangements, von der Hochzeit zu zweit bis zur großen Feier mit über 100 Leuten. Bei Feiern mit vielen Gästen werde es allerdings zunehmend schwierig: "Es gibt in Venedig nicht genug Kapazitäten. Die Hotels würden die Feier oft gerne ausrichten, haben aber Probleme, Personal zu finden. Und die Preise sind sehr hoch geworden."
Steigende Preise in allen Bereichen
Das bestätigt auch Dennis Gehl aus Travemünde: "Fleisch, Gemüse, Energie, Personal, alles wird teurer." Es sei eine Gratwanderung für ihn, wie viel er davon an die Kunden weitergebe - vor allem bei den Paaren, die ihre Feier noch zu einem anderen Preis gebucht hatten.
"Personal ist hier auch ein großes Thema", erzählt Sarah Hämmerle, Hochzeitsplanerin aus Ravensburg. "Egal, ob für den Service oder die Küche - alle suchen händeringend." Gleichzeitig gebe es einen "riesigen Run" auf besonders beliebte Hochzeitslocations. Viele ihrer Kunden möchten gerne auf einer Hütte im Allgäu, am Bodensee oder in einem Weinberg feiern. Doch diese Veranstaltungsorte seien teilweise jetzt schon für 2023 ausgebucht. "Das ist der Wahnsinn", sagt Hämmerle. Für viele Paare bedeute das zusätzlichen Stress bei der Planung.
Kleine Feiern sind beliebt
Die "kleine feine Feier" mit 25 bis 30 Personen sei seit den Corona-Beschränkungen tatsächlich beliebter geworden, erzählt die Hochzeitsplanerin. Sie betreut aber auch Paare, die mit 80 bis 120 Leuten feiern möchten. "Die sagen: 'Wir haben einfach wieder so Lust auf ein richtiges Fest mit vielen Menschen'."
Diese zwei Tendenzen kann auch Ralf Schulze bestätigen, Bereichsleiter bei der TrauDich! Messe GmbH in Stuttgart. "Einige Paare sind immer noch vorsichtig und verzichten beispielsweise darauf, ältere Verwandte einzuladen, die zu einer Risikogruppe gehören." Andere handelten nach dem Motto "Jetzt erst recht" und nähmen die Hochzeit zum Anlass, endlich wieder groß zu feiern.
Hochzeit im Grünen
Der Trend zur Hochzeit unterm Zeltdach habe sich durch die Corona-Pandemie verstärkt, sagt Schulze, weil für Außenbereiche oft weniger Beschränkungen galten und viele Menschen schon länger gerne draußen feiern möchten.
Außerdem sieht er eine Zunahme an freien Trauungen: "Freie Trauredner sind Profiteure der Corona-Zeit, weil man mit ihnen flexibler bei der Ortswahl ist."
In der evangelischen Kirche St. Johannis zu Hamburg-Eppendorf läuft die Saison "fast normal an", erzählt Gisela Möller vom Kirchenbüro. Knapp 30 Anmeldungen zählt sie für dieses Jahr in der beliebten Hochzeitskirche, davon seien etwa 20 Prozent vom vergangenen Jahr "aufgelaufen".
Bei manchen Paaren habe sich in der Zwischenzeit auch die Lebenssituation verändert: Zwei Paare hätten vergangenes Jahr statt einer Hochzeit eine Taufe gefeiert und holten die Hochzeit nun nach, zwei andere hätten die Trauung aus 2021 verschoben und kombinierten sie nun mit einer Taufe zur "Traufe". Überhaupt sei die Zahl der Taufen im Vergleich zu den vergangenen Corona-Jahren enorm gestiegen, erzählt Möller.
Und manche behalten die Idee einer großen Hochzeitsfeier vielleicht auch einfach erstmal weiter im Hinterkopf - nach dem Motto "aufgeschoben ist nicht aufgehoben". So wie Tobias und Katharina aus München. Sie heirateten im November 2020 standesamtlich im kleinen Kreis, nur mit ihrer einjährigen Tochter. Mittlerweile ist noch ein Sohn dazugekommen. "Eigentlich wollen wir auch noch kirchlich heiraten. Und nach den Corona-Jahren haben wir richtig Lust auf eine große Party. Vielleicht machen wir das zum fünften Hochzeitstag, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind."