Die Halle der katholischen St. Elisabethkirche in Kassel ist leergeräumt, rund 650 Quadratmeter Kunstrasen bedecken den Boden und die lichtdurchfluteten Seitenhöfe. Mittendrin, im Zentrum des Kirchenraums, steht eine Feuerschale mit einem Durchmesser von einem Meter.
Die Schale ist gefüllt mit mehr als 70.000 Perlen als Symbol für die Seele. Mit dieser Arbeit hat die Münchner Künstlerin Birthe Blauth einen "Paradiesgarten" in der Kirche am Friedrichsplatz geschaffen.
Das Bistum Fulda und die Katholische Kirche Kassel präsentieren die raumgreifende Installation "Poem of Pearls" anlässlich der Kunstausstellung "documenta fifteen", die am 18. Juni beginnt. Wie Christoph Baumanns, Sprecher des Projekts "Kunst in der Kirche" mitteilt, ist die Kunstinstallation bereits vom 4. Juni an und bis 2. Oktober zu sehen.
Jeder Besucher könne eine Perle mit nach Hause nehmen, um sie in der Welt zu verstreuen, so die Absicht der Künstlerin. Sie wolle mit ihrer Installation zu einer spirituellen Reise zu Gott oder sich selbst einladen und zum Nachdenken anregen: "Über sich, Werte und Verantwortung."
Durchs Labyrinth ins Paradies
Die Reise beginnt auf dem Vorplatz der Elisabethkirche. Von dort führt ein Weg durch ein aufgezeichnetes Labyrinth und eine Transitzone, in der die Gäste ihre Schuhe ausziehen, in den "Paradiesgarten" - raus aus dem Trubel und hinein in die Stille des Gotteshauses.
Sie sei gespannt, wo die Menschen für ihre innere Reise Platz nähmen - auf dem Rasen sitzend oder liegend oder auf einem Klappstuhl - wie sie den Raum erlebten und Gottesdienst feierten, sagt Blauth. Und sie hofft, dass ihre Installation dazu einlade, neue Gottesdienstformen auszuprobieren.
Umfangreiches Begleitprogramm
Birthe Blauth studierte und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Religionsethnologie und Kunstgeschichte. Seit 2003 arbeitet sie als Künstlerin. Sie beschäftigt sich mit den Mustern und Gesetzen, die die Wahrnehmung bestimmen und Kultur entwickeln. Für ihre Arbeiten wurden sie unter anderem mit dem Haus-der-Kunst-Preis und dem Dr.-Theobald-Simon-Preis ausgezeichnet.
Das Bistum Fulda und die Katholische Kirche Kassel, die die St. Elisabethkirche seit der documenta 11 im Jahr 2002 als Raum für Gegenwartskunst öffnen, kündigten zur Installation "Poem of Pearls" ein umfangreiches Begleitprogramm mit Musik, Gesprächen, Lesungen, Gottesdiensten und Führungen an. Während die ersten drei Ausstellungen den Fokus auf das Menschenbild legten, steht seit 2017 der Kirchenraum im Mittelpunkt.
Resonnanz und Kontroverse
2012 sorgte der Bildhauer Stephan Balkenhol mit seiner Plastik "Der Mann im Turm" unter dem Dach des Kirchturms für Aufsehen und heftige Debatten in Kassel. Viel Resonanz mit rund 58.000 Gästen erfuhr vor fünf Jahren Anne Gathmanns Installation "Statik der Resonanz". Sie hatte ein Band aus mehr als viertausend Aluminiumelementen geschaffen, das in Form einer Kurve das ganze Kirchenschiff durchmaß.
Für den Diözesanbaumeister des Bischöflichen Generalvikariats Fulda, Martin Matl, sind die Bilder und Räume der Kirche mehr als eine bloße Erfüllung von zugewiesenen Funktionen: "Das Bistum Fulda engagiert sich für den Dialog zwischen Kirche und Kunst, weil dort Formen und Bilder entstehen können, die aus alltäglichen Zwängen hinausführen und die Weite des Daseins erschließen." Die Kunst der Gegenwart könne Diskussionen anstoßen, die Kirche und Gesellschaft immer neu bräuchten.