"Die kirchlichen Positionen dazu liegen teils weit auseinander", sagte Paul dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beim Thema Prostitution gehe es um Partizipation, um das Recht auf den eigenen Körper, um Frauen- und Männerbilder sowie um vielfältige Gerechtigkeitsaspekte. "Aus dieser Diskussion dürfen wir uns als Kirche nicht heraushalten", betonte die evangelische Theologin.
Über Jahrhunderte habe die Kirche mit einer leibfeindlichen Morallehre dazu beigetragen, Sexualität zu stigmatisieren. "Wir haben dadurch gewissermaßen eine Tabuzone gefördert, einen Graubereich, in dem die Prostitution gedeihen konnte", erläuterte die Landesfrauenpastorin. Zwar sei eine Gesellschaft wünschenswert, "in der sich niemand Sex kaufen muss und in der kein Menschenhandel, keine Zwangsprostitution und keine Gewalt gegen Frauen existiert", doch die Realität einer "unerlösten Welt" sehe anders aus.
Zugleich gebe es Prostituierte, die sich selbst als Sexarbeiterinnen bezeichneten und betonten, dass sie ihrer Tätigkeit freiwillig und selbstbestimmt nachgingen. Eine solche Haltung sei zu respektieren, selbst, wenn man sich nicht nachvollziehen könne, sagte Paul: "Diese Frauen moralisch zu verurteilen, ihre Entscheidung für Sünde zu halten, bedeutet, ihre Würde und Selbstbestimmtheit zu verkennen".
Die Landesfrauenpastorin forderte, dass mehr zum Schutz von Sexarbeiterinnen getan werden müsse: "Oberstes Ziel muss es sein, Gewalt und würdelose Arbeitsbedingungen zu verhindern." Zwar gebe es Gesetze, die Frauen vor Zwangsprostitution und Menschenhandel schützen sollen, doch in der Realität spiele sich Prostitution zumeist im Verborgenen und damit außerhalb rechtlicher Handhabe ab. Umso wichtiger sei es, dass sich die Freier verantwortlich zeigten und Verdachtsfälle von Gewalt oder Zwangsprostitution zur Anzeige brächten.
Paul war Gastgeberin einer Fachtagung in Hannover, auf der das Thema Prostitution am Montag (30. Mai) unter dem Titel "Sex sells - Das Geschäft mit dem Körper" aus verschiedenen Perspektiven erörtert wurde.