Er erinnere sich, dass der Augsburger Pastoraltheologe Hanspeter Heinz vor 25 Jahren mal von 20 Prozent gesprochen habe und sich für diese Offenherzigkeit dann bei der Bischofskonferenz habe entschuldigen müssen, sagte Mertes der "tageszeitung" ("taz"/Mittwoch): "Ich glaube, dass es viel mehr sind."
Der heute 67-Jährige hatte als Rektor des Berliner Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg gearbeitet. Viele von seinen Lehrern, Jesuiten und anderen seien vielleicht homosexuell gewesen, ohne es überhaupt von sich zu wissen, sagte Mertes. Der entscheidende Unterschied sei heute das Wissen um die eigene Sexualität.
Für viele männliche Jugendliche, die schwul sind und zugleich der katholischen Kirche und ihrer Lehre verbunden sind, sei dieses Eingeständnis der Horror. Sie wählten dann bewusst die als asexuelle Lebensform missverstandene Lebensform des Zölibats, um in kirchlicher Anerkennung zu leben.
Deswegen komme die härteste Homophobie ganz oft von homosexuellen Klerikern, sagte Mertes. Auch könne man sich als angehender Priester zu keinem einzigen Zeitpunkt outen und wisse, dass man eigentlich nicht geweiht werden dürfe. "So basiert die Zulassung zur Priesterweihe von Anfang an auf einer Lüge. Das verkompliziert erheblich das Verhältnis zur Autorität, der man anhängt", sagte Mertes.
In Stuttgart beginnt am Mittwoch der 102. Deutsche Katholikentag. Unter dem Leitwort "leben teilen" will das Christen-Forum fünf Tage lang die Themen Klimawandel, Flucht und globale Sicherheit diskutieren.