Durch die Lieferung von schweren Waffen "könnten wir in eine eskalierende Bewegung hineinkommen", sagte Engelhardt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der evangelische Theologe, der am 11. Mai 90 Jahre alt wird, befürchtet, dass weitere Waffenlieferungen zudem den Krieg verlängern könnten.
Die Option, überhaupt keine Waffen zu liefern, werde allerdings auch den betroffenen Ukrainern nicht gerecht. "Wir haben nicht das Recht, uns hier der Bitte der Ukrainer zu verweigern", sagte Engelhardt.
Angesichts des Krieges sei eine offene Diskussion über die Friedensethik in der evangelischen Kirche "bitter nötig". Bei allen Diskussionen müsse zwar gestritten werden. Dabei dürften jedoch die unterschiedlichen Ansichten nicht gegeneinander ausgespielt werden. "Eine gegensätzliche Position darf nicht zur Rechthaberei werden", mahnte Engelhardt.
Die Kirchen müssten weiter Gespräche mit der russisch-orthodoxen Kirchen führen. Forderungen, die russisch-orthodoxe Kirche aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) auszuschließen, halte er nicht für richtig. Obwohl ihm die Position des Moskauer Patriarchen Kyrill I., der als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putins gilt, "völlig unbegreiflich" sei, "müssen wir jede Gelegenheit nutzen, um die Gesprächsebenen aufrechtzuerhalten", sagte der Theologe.
Ukraine-Krieg zeige unsere Verwundbarkeit
Schon zu seiner Zeit als EKD-Ratsvorsitzender in den 1990er Jahren habe es von orthodoxer Seite Vorwürfe gegen den liberalen Westen gegeben, sagte Engelhardt, der das Amt von 1991 bis 1997 innehatte. Dies könne aber solch einen brutalen Krieg nie rechtfertigen. "Wir müssen hier klare Position beziehen und sagen, was biblisch geboten ist und was menschenwürdig ist."
In der langen Friedenszeit nach dem Zweiten Weltkrieg seien sich viele Menschen nicht bewusst gewesen "wie privilegiert wir gewesen sind, in Sicherheit und Freiheit zu leben", sagte Engelhardt, der von 1980 bis 1998 badischer evangelischer Landesbischof war. Durch den Ukraine-Krieg zeige sich, "wie verwundbar und verletzlich wir sind."
Von seiner Kirche wünsche er sich, dass sie weiter zu den politischen und gesellschaftlichen Fragen "von der biblischen Botschaft her" Stellung bezieht und die "Kanzel auch außerhalb der Kirchen" sucht. Entscheidend ist dabei für Engelhardt das Nachdenken über biblische Texte, nicht nur für Theologen, sondern "für jeden Christenmenschen".