In den vergangenen Wochen haben Schülerinnen und Schüler des Laubach-Kollegs sich ins Zeug gelegt. Gemeinsam mit der Haustechnik haben sie Räume im stillgelegten Wohnheim der Schule in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) renoviert, gestrichen, Betten bezogen und Sachspenden - vom Besteck bis zum Fernseher - zusammengetragen.
Am Montag ist es dann soweit. Vier Familien, die aus der Ukraine geflohen waren, ziehen hier ein. Sie hatten zuvor im Jugendgästehaus in Laubach gewohnt. Dort ist Platz für 80 Menschen, aber nur als Übergang. Die Laubacher Kirchengemeinde vermittelt Flüchtlinge in dauerhafte Unterkünfte.
"Hier läuft alles gut, aber mit viel Aufwand", berichtet Jörg Niesner, Pfarrer der Kirchengemeinde in der mittelhessischen Kleinstadt. "Die Leute sind engagiert und bringen sich ein." Das gelte sowohl für die Ehrenamtlichen als auch für die Flüchtlinge selbst, die nicht nur passiv bleiben wollten. Sie erstellten eigenständig Pläne für Putz- und Küchendienste.
Hilfsbereitschafft macht Hoffnung
So wie in Laubach kümmert sich die Kirche gerade vielerorts um Aufnahme für Geflohene aus der Ukraine. "Die Hilfsbereitschaft, die wir gerade erleben, macht mir Hoffnung", sagt Jutta Herbert, Dekanin im Dekanat Worms-Wonnegau. Eine Wohnung in der Wormser Seminariumsgasse, wo sich auch die Dekanatsverwaltung befindet, wurde bereits zur Verfügung gestellt und von der Stadt mit dem Nötigsten ausgestattet. Für weitere von der Kirche angebotene Unterkünfte muss die Verwaltung noch prüfen, ob diese aus Brandschutzgründen bewohnbar sind.
Die Landeskirche selbst öffnet ebenfalls ihre Häuser. Im Kloster Höchst im Odenwald und in der Jugendburg Hohensolms bei Wetzlar würden mehr als 160 Übernachtungsplätze bereitgestellt, teilte die EKHN am Freitag mit. Die ersten Gäste aus der Ukraine kamen in der Nacht zum Freitag in Höchst an. In Hohensolms ist die Belegung nach den Worten der EKHN ab April vorgesehen. Rund 100 fest gebuchten Freizeitgruppen in beiden Häusern wurde wegen der Hilfsaktion abgesagt.
Die Kirchengemeinde Oberroßbach, ein Stadtteil von Haiger, hat zwölf Geflüchtete in ihrem Gemeindehaus beherbergt. Auf Initiative eines Konfirmanden und dessen Mutter, die aus der Ukraine stammt, habe der Kirchenvorstand einer Unterbringung sofort zugestimmt, sagt Pfarrer Jonas Schmidt. Vier Frauen, acht Kinder und ein Dackel seien zuerst im Gemeindehaus bekocht und auf Matratzen untergebracht worden. Inzwischen habe die Stadt Haiger Wohnungen für alle gefunden.
Die Herausforderungen der Aufnahme sind allerdings nicht zu unterschätzen. "Privatpersonen, die Wohnraum zur Verfügung stellen, sollten sich gut überlegen, was leistbar ist", erklärt Alexander Böhler, Bereichsleiter des Fachbereichs Migration des Diakonischen Werks Westerwald. "Denn jede und jeder Geflüchtete bringt sein eigenes Schicksal mit, und niemand weiß, wie lange diese Menschen bleiben werden."
"Google-Translator hat sich als hilfreich erwiesen"
Außerdem gibt es natürlich eine sprachliche Barriere. "Viele vor allem der Jüngeren hier können Englisch", sagt Laubachs Pfarrer Niesner. Außerdem habe er Dolmetscherinnen an der Hand für Ukrainisch und für Russisch, das viele Menschen in der Ukraine sprechen. Und er nimmt digitale Hilfe in Anspruch: "Der Google-Translator hat sich als sehr hilfreich erwiesen." Aber all diese Krücken hätten doch ihre Grenzen, vor allem was seelsorgerliche Gespräche angehe.
Und für Seelsorge gebe es durchaus Bedarf, sagt Niesner. Die Flucht an sich stellt ja schon eine seelische Belastung dar. Das, was auf den Handys der Menschen an Nachrichten aus der Heimat aufploppe, komme noch obendrauf. Bilder von Leichenbergen oder zerstörten Häusern und Wohnungen. "Die Männer hatten vor kurzem noch ganz normale Berufe. Jetzt im Moment haben sie bloß einen Auftrag, nämlich Russen erschießen", sagt Niesner. "Und die Frauen und Kinder, die hier bei uns sind, wissen natürlich ganz genau, was ihre Männer gerade tun."