Für diesen Mut sei er dankbar, sagte er in einem Interview für die Internetseite der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Dietrich Brauer (39) ist seit 2011 Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER) und seit 2014 Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland (ELKR). Der russische Theologe hatte Verantwortung für 170 Kirchengemeinden und 50 Pfarrer:innen. Er floh jetzt nach einer Predigt gegen den Krieg mit seiner Familie nach Deutschland und ist im Südwesten untergekommen.
Zuvor habe es "eine klare Forderung des Präsidialamtes an alle religiösen Leader" gegeben, sich zu äußern und den Krieg zu unterstützen. "Die meisten haben es getan", sagte Brauer. Er berichtete, dass die Kirchen in Russland nicht vom Krieg sprechen, nicht für den Frieden beten und keinen Kontakt zu ihren ukrainischen Gemeinden aufnehmen dürfen.
Brauer wird am heutigen Freitag im Berliner Dom bei einem Friedensgebet und am Sonntag bei einem ZDF-Gottesdienst mitwirken. Er wolle sich dort engagieren für eine Friedensbotschaft, sagte er. "Ich wünsche uns einen gerechten Frieden, den wir ernst meinen." Aktuell sei das Leid der Menschen vorherrschend. "Für dieses Leid haben wir keine Worte. Das ist Passionsgeschichte", sagte er. Und weiter: "Aber auch in dieser Hölle ist eine Hoffnung auf Frieden."
Er fürchte allerdings die Folgen einer inneren Zerrissenheit von russischen und ukrainischen Menschen infolge der Fakten, die der Krieg schafft. "Russen und Ukrainer, verschiedene Konfessionen haben friedlich miteinander gelebt. Aber jetzt? Wenn sie die Toten sehen und Panzer. Was sollen sie denken?", fragte der Bischof.
Auf die Frage, was andere Kirchen für die Menschen im Kriegsgebiet tun könnten, sagte er, er habe darauf im Augenblick keine passende Antwort. Er versuche, verschiedene Szenarien zu überlegen: "Sollte es noch schlimmer kommen, sollte ein größerer Krieg ausbrechen, müssen wir versuchen, Menschen zu evakuieren." Eine andere Möglichkeit sei, dass alles länger dauert. "Und das bedeutet, wir können keine Pläne machen." Seine Hoffnung sei, dass sich die Situation entschärft.