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17. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Amsterdam-Krimi: Das Mädchen ohne Namen"

Die ersten Bilder zeigen einen Bus voller junger Frauen aus Osteuropa, alle mit erwartungsfrohen Gesichtern, dazu erklingt der Coldplay-Hit "Paradise"; doch selbst ohne Kenntnis der bisherigen "Amsterdam-Krimis" ist klar, dass die Reise keineswegs ins gelobte Land, sondern geradewegs ins Verderben führt.

Der Film begleitet die Weißrussin Laila, die eigentlich eine Stelle als Kellnerin antreten wollte, das Lokal aber gleich wieder durch die Hintertür verlassen muss: weil sie erst mal ihre Schulden für die Reise und die "Jobvermittlung" abarbeiten soll.

"Das Mädchen ohne Namen", der fünfte Film mit Hannes Jaenicke als deutscher Kommissar im Nachbarland, ist selbstredend kein Dokumentarfilm, aber Peter Kollers Drehbuch orientiert sich an den tatsächlichen Abläufen: Junge Frauen aus Osteuropa werden durch fingierte Stellenangebote in den Westen gelockt und landen in der Zwangsprostitution. Oft ist auch ein sogenannter Loverboy im Spiel, der falsche Versprechungen macht. Der Arbeitstitel des Krimis lautete "Endstation Freiheit"; "Endstation Sehnsucht" hätte noch besser gepasst.

Alex Pollack und sein niederländischer Kollege de Groot (Fedja van Huêt) wollen an den deutschen Menschenhändler ran, der die Bordelle regelmäßig mit Nachschub versorgt. In der Unterwelt heißt er nur "der Gärtner". Die Polizei hat allerdings keinerlei Informationen über den Mann. Der letzte Versuch, einen Kollegen in den inneren Kreis zu schleusen, endete tödlich. Pollack und de Groot bleibt daher keine andere Wahl, als das Etablissement zu beobachten, in dem Laila (Carina de Vroome) arbeitet - und zwar so lange, bis Chefzuhälter Zwolsmann (Mike Reus) eine neue "Lieferung" erwartet.

Die bisherigen "Amsterdam-Krimis" waren ausnahmslos fesselnde Thriller, aber Observierungen sind fast zwangsläufig Spannungskiller. "Das Mädchen ohne Namen" ist daher nicht so packend wie die bisherigen Filme, selbst wenn Koller, mit Ausnahme der zweiten Episode Autor aller bisherigen Bücher für die Reihe, Laila zur zweiten Hauptfigur neben Pollack gemacht hat. Auf diese Weise muss Regisseur Ismail ?ahin die Team-Mitglieder nicht ständig beim Zeittotschlagen zeigen, und die ausgebeuteten Frauen bekommen ein Gesicht. Einige Einschübe wecken zudem Mitgefühl: In Minsk wartet der kleine Sohn auf die Rückkehr der Mutter.

Detailliert schildert Koller, wie perfekt das System funktioniert: Die Frauen bekommen falsche Papiere. Als Laila zur Polizei geht, macht ihr der Beamte klar, dass ihr mindestens sechs Monate Gefängnis drohen, denn dem Zuhälter wäre nichts nachzuweisen. Anschließend werden die Betroffenen abgeschoben und dürfen fortan nicht mehr in die EU einreisen. Immerhin sieht Pollack nach drei Monaten des vergeblichen Wartens einen Ansatz, um Zwolsmanns System zu knacken: Er gewinnt Laila als Informantin.

Tatsächlich geht die Geschichte im Grunde nun erst richtig los, denn ab jetzt schwebt die Weißrussin in permanenter Lebensgefahr; an einer Kollegin hat Zwolsmann bereits ein tödliches Abschreckungsexempel statuiert. Außerdem drohen die Verbrecher, sich an ihrer Familie zu rächen. Im letzten Drittel zeigt sich jedoch, wie clever Koller sein Drehbuch konzipiert hat: Kurze Rückblenden sorgen für unerwartete Wendungen und setzen einige Ereignisse in ein ganz anderes Licht, zumal sich rausstellt, dass gleich mehrere Beteiligte wie in einem Spionage-Thriller ein doppeltes Spiel spielen.

Am Ende stolpert der "Gärtner" über einen Pinguin. Der originelle Einfall ist dennoch nur ein schwacher Trost dafür, dass die Verantwortlichen die Rolle des Oberschurken nicht angemessen prominent besetzt haben. Umso trefflicher war die Entscheidung für die Holländerin Carina de Vroome als weibliche Hauptdarstellerin. Die einzige kritische Anmerkung gilt der sprachlichen Vereinheitlichung: Die handelnden Personen stammen aus unterschiedlichsten Ländern, aber alle reden Deutsch, mal mit, mal ohne Akzent.

?ahin hat 2014 mit seinem ungewöhnlichen Erstlinkswerk "Nicht schon wieder Rudi" auf sich aufmerksam gemacht und die Degeto-Reihe "Mordkommission Istanbul" mit dem spannenden Thriller "Entscheidung in Athen" (2021) zu einem würdigen Abschluss gebracht. Für die auch diesmal wieder ausgezeichnete Bildgestaltung war schon damals Aljoscha Henning verantwortlich.

?ahins "Amsterdam"-Debüt spielt zwar größtenteils im Bordell und in der Wohnung, die das Team zur Observierung nutzt, aber es gibt auch einige schwungvoll umgesetzte Straßenszenen im Amsterdamer Stadtzentrum. Bei der Schilderung des erzwungenen Gehorsams ist der Regisseur nicht zimperlich, die Frauen hat er jedoch mit Respekt inszeniert: Sie sind zwar meist nur spärlich bekleidet, doch auf spekulative Bilder verzichtet der Film völlig.