Lange ist's her, dass Württemberg einen neuen evangelischen Bischof küren durfte. Genauer: Vor 17 Jahren, am 10. März 2005, wurde Frank Otfried July im ersten Wahlgang von der Synode in die höchste Position der Landeskirche gewählt. An diesem Donnerstag, den 17. März, kommt die Synode nun in Stuttgart zusammen, um für den in den Ruhestand gehenden July eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu bestimmen. Zur Wahl stehen zwei Männer und eine Frau. Zur Kirche gehören rund 1,9 Millionen Protestanten.
Dass es diesmal erneut bereits im ersten Wahlgang klappt, ist praktisch ausgeschlossen. Denn für eine Wahl müssen zwei Drittel der 91 Synodalen für einen Kandidaten stimmen. Tatsächlich können die Synodalen aber aus drei Kandidaten auswählen, weshalb die Zwei-Drittel-Mehrheit schwer zu beschaffen sein wird.
Drei Kandidat:innen gehen ins Rennen
Der mit 31 Synodalen stärkste Gesprächskreis "Offene Kirche" schickt Viola Schrenk (51) ins Rennen. Im Falle ihrer Wahl wäre sie in Württemberg die erste Frau im Bischofsamt. Die promovierte Theologin arbeitet derzeit als Studieninspektorin am Evangelischen Stift in Tübingen, dem Studienhaus der württembergischen Landeskirche. Schrenks Stationen im Pfarramt waren Waldhausen im Ostalbkreis, die Hochschulseelsorge in Schwäbisch Gmünd und das Vikariat im Kirchenbezirk Neuenbürg. Ihre Doktorarbeit hat die ledige Theologin über die Anfänge der preußischen Judenmission geschrieben. Ehrenamtlich ist die 51-Jährige unter anderem stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Basler Mission Deutscher Zweig.
Die "Lebendige Gemeinde" (30 Stimmen) und "Kirche für morgen" (12 Stimmen) unterstützen gemeinsam Gottfried Heinzmann. Der 56-Jährige ist Vorstandsvorsitzender der "Zieglerschen", eines Diakoniewerks in Oberschwaben mit 3.500 Mitarbeitern und 60 Standorten zwischen Stuttgart und Bodensee. Zuvor war er von 2008 bis 2017 Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (EJW). Heinzmann stammt aus Neuenstadt am Kocher. Nach dem Theologiestudium absolvierte er sein Vikariat in Westheim und war von 1996 bis 2007 Pfarrer in Filderstadt-Sielmingen. Der verheiratete Vater von zwei Kindern ist in Kirchengemeinden bekannt durch Liedtexte, die er zur Jahreslosung gedichtet hat.
Der Gesprächskreis "Evangelium und Kirche" (17 Stimmen) hat den Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl (58) aufgestellt. Gohl ist seit 2006 Dekan des Kirchenbezirks Ulm und gleichzeitig Seelsorger am Ulmer Münster. Der 58-Jährige ist ausgebildeter Rettungssanitäter und hat Theologie in Tübingen, Bern und Rom studiert. Nach dem Vikariat blieb Gohl im Pfarramt in Böblingen, es folgte bis 2006 eine Pfarrstelle an der Stadtkirche Plochingen. Gohl ist seit 15 Jahren Mitglied der württembergischen Landessynode als direkt gewählter Theologe des Wahlkreises Blaubeuren-Ulm. Er ist mit einer Apothekerin verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Ein weiterer Sohn von ihm verunglückte mit dreieinhalb Jahren tödlich.
Die 91. Stimme ist dem Vertreter der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, Jürgen Kampmann, vorbehalten, der keinem Gesprächskreis angehört.
Zweidrittelmehrheit schwierig zu erreichen
Sollten alle Synodalen an der Wahl teilnehmen, braucht es 61 von 91 Stimmen. Gleichzeitig sieht das Wahlgesetz vor, dass nach drei erfolglosen Wahlgängen der Kandidat mit den wenigsten Stimmen rausfliegt und nach zwei weiteren wiederum der mit der niedrigsten Stimmenzahl. Dann bliebe also eine Person übrig - und es müsste sich zeigen, ob die großen Gesprächskreise bereit sind, von ihrer Sperrminorität keinen Gebrauch zu machen, sondern den verbleibenden Kandidaten zu unterstützen.
Da davon auszugehen ist, dass die Gesprächskreise ihre Kandidaten in den ersten Wahlgängen solidarisch unterstützen, sieht das Szenario so aus: Nach drei Wahlgängen darf Dekan Gohl nicht mehr kandidieren, weil er voraussichtlich die wenigsten Stimmen bekommt. Danach kommt es darauf an, auf wessen Seite sich die 17 Vertreter von "Evangelium und Kirche" schlagen - zur progressiven "Offenen Kirche" oder zur konservativen "Lebendigen Gemeinde". Davon hängt ab, wer als zweites aus dem Kandidatenkreis ausscheiden muss.
Neue Kandidat:innen nach erfolgloser Wahl möglich
Wenn nur noch eine Person auf dem Wahlzettel steht, ist der Sieg dennoch nicht gewiss. Ein Zwang, diesem Kandidaten dann die Stimme zu geben, existiert nicht. Spätestens nach sechs erfolglosen Wahlgängen müsste ein neuer Wahlvorschlag erarbeitet werden - und auf diese Liste könnten bereits ausgeschiedene Kandidaten neu gesetzt werden. Sollte es am Donnerstag in Stuttgart zu keiner Einigung kommen, wird die Wahl vermutlich um ein paar Wochen verschoben.
Mit einem Wahlmarathon hat Württemberg Erfahrung. So wurde 1987 der damalige Stuttgarter Prälat Theo Sorg als nachträglich benannter Kandidat Landesbischof, weil zuvor in zehn Wahlgängen keiner von anfangs drei Bewerbern genügend Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die vier Kandidaten, die 1993 für die Sorg-Nachfolge vorgeschlagen worden waren, wurden in 16 Wahlgängen verschlissen; sie zogen sich quälend über zwei Tage hin. Erst später konnte der nachträglich benannte Alleinkandidat Eberhardt Renz auf einer eigens einberufenen Sondersitzung gewählt werden.
Die Tradition setzte sich im November 2000 fort. Für die Renz-Nachfolge waren drei Bewerber benannt, aber erneut zogen sich die Wahlhandlungen über zwölf Wahlgänge erfolglos hin. Wieder war ein neuer Kandidatenvorschlag nötig, bis Gerhard Maier am 14. Februar 2001 als neunter württembergischer Landesbischof feststand.
Ob die Wahl nun an diesem Donnerstag klappt oder erst später: Am Termin für die Amtsübergabe will die Landeskirche vorerst nicht rütteln. Am 24. Juli soll Landesbischof Frank Otfried July entpflichtet und die nachfolgende Person eingeführt werden.