Das Schild des russischen Auslandssenders RT DE hängt vor einem Bürogebäude in Berlin-Adlershof.
© Paul Zinken/dpa
Das Schild des russischen Auslandssenders RT DE vor einem Gebäude in Berlin-Adlershof.
Medienexpertin
Russische Propaganda verfängt auch in Deutschland
Von der russischen Regierung verbreitete Propaganda-Erzählungen zu Konflikt und Krieg in der Ukraine erreichen nach Ansicht der Historikerin und Russland-Expertin Susanne Spahn auch in Deutschland ihr Publikum.

Gerade das falsche Narrativ, dass westliche Staaten durch ein Vorantreiben der Nato-Osterweiterung die russische Invasion geradezu provoziert hätten, werde in Deutschland noch immer verbreitet, sagte die Journalistin Susanne Spahn dem Evangelischen Pressedienst in Berlin.

Derzeit gebe es drei dominante Propaganda-Erzählungen, mit denen Russland sein Vorgehen im eigenen Land und im Ausland rechtfertige und auf die Medien in Deutschland nicht hereinfallen dürften, sagte Spahn. Erstens behaupteten russische Organe, in der Ukraine hätten Nationalisten die Macht ergriffen und russischsprachige Bevölkerungsanteile würden unterdrückt. Der russische Angriff diene somit der "Entnazifizierung" des Staates.

"Diese Lüge wird seit über acht Jahren aufrechterhalten", sagt die Politologin. "Dabei gibt es im ukrainischen Parlament keine nationalistischen Parteien, und wissenschaftliche Untersuchungen haben erwiesen, dass auch keine Bedrohung von russischsprachigen Menschen stattfindet."

Zweitens stelle Russland die Ukraine durchgängig als "gescheiterten Staat" da, in dem Chaos, Korruption, Mafia und Oligarchen herrschen. Dieses Bild entspreche aber trotz einiger Probleme im Land nicht der Realität. "Putin zeichnet damit eher ein Bild seiner eigenen Herrschaft", sagte Spahn. Er wolle vielmehr nicht, dass direkt vor den Toren Russlands ein attraktives, demokratisches Gegenmodell zur eigenen autoritären Staatsform entstehe.

Schuldgefühle werden instrumentalisiert

Drittens werde von den aktuellen Kriegshandlungen behauptet, dass es sich dabei um eine "Sonderoperation" handle, bei der keine Städte angegriffen und Zivilisten verschont blieben. Dies sei aber ebenfalls nachweislich falsch. "Dass Russland die eigenen Soldaten als 'Friedenstruppen' bezeichnet, ist vor dem Hintergrund der Raketenangriffe auf Kiew und andere Städte nur noch zynisch", kommentierte die Expertin. Dennoch würden Medien wie der Sender RT DE, der sich gerade in einem Rechtsstreit um seine Lizenz befindet, die Lügen weitgehend ungestört verbreiten, so dass andere deutsche Akteure sie aufgreifen können.

Die Autorin der Studienreihe "Russische Medien in Deutschland" im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung forscht zu russischer Außenpolitik und hat auch als Journalistin aus Moskau berichtet. Russische Desinformation instrumentalisiere in Deutschland insbesondere das Schuldgefühl der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. "Wenn vor 'Russland-Bashing' oder einem Dritten Weltkrieg gewarnt wird, werden die historisch begründeten Ängste und Schuldgefühle gezielt instrumentalisiert", sagte Spahn.

Facebook und Twitter schränken Staatsmedien ein

Die Ereignisse der vergangenen Woche seien "nach Drehbuch" abgelaufen, folgerte sie. Die in diplomatischen Gesprächen gestellten Forderungen Russlands, etwa den Verzicht auf eine Osterweiterung der Nato, seien bewusst so formuliert worden, dass sie nicht erfüllt werden konnten. "Dass dann die Separatisten im Donbass den großen Bruder Russland um Hilfe bitten, ist ebenfalls eine alte Masche", erklärte die Historikerin.

Facebook und Twitter schränken wegen des Kriegs in der Ukraine ihre Dienste ein. Der Facebook-Konzern Meta verbiete russischen Staatsmedien nun, in dem sozialen Netzwerk weltweit Anzeigen zu schalten oder Geld zu verdienen, erklärte Sicherheitschef Nathaniel Gleicher auf Twitter. Das Unternehmen beobachte die Lage in der Ukraine genau und werde "Schritte zum Schutz der Menschen auf unserer Plattform weiter mitteilen". Bereits zuvor hatte Facebook es Nutzerinnen und Nutzern in der Ukraine ermöglicht, ihre Profile zum Schutz vor Verfolgung zu verriegeln.

Der Kurznachrichtendienst Twitter kündigte an, Werbeanzeigen in Russland und der Ukraine bis auf Weiteres zu blockieren. Damit wolle man gewährleisten, dass wichtige Informationen zur öffentlichen Sicherheit hervorgehoben würden und keine Anzeigen davon ablenkten.