Senioren Paar genießt lachend ein Dinner zu zweit
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Pastor Frank Muchlinsky schreibt über die Bibelstelle Kohelet (Prediger) 9,7-10 und freut sich: "Aber wie schön ist es doch, in der Bibel einen unmissverständlichen Aufruf zu lesen, das Leben und die Freude daran zu umarmen!"
Zuversichtsbrief, Woche 105
Trotz allem: Genieße das Leben!
von Frank Muchlinsky
Wie schaut Gott auf die Menschheit? Leicht griesgrämig und unzufrieden? Der Prediger Kohelet schreibt: "Gott gefällt schon lange, was du tust." Frank Muchlinsky kann da nur zustimmen. Der letzte Zuversichtsbrief.

Auf, iss mit Freuden dein Brot und trink fröhlich deinen Wein! Denn Gott gefällt schon lange, was du tust. Jederzeit trage festliche Kleider und spar nicht mit duftendem Öl auf deinem Haar! Genieße das Leben mit einer Frau, die du liebst! So verbringe alle Tage deines vergänglichen Lebens, die Gott dir unter der Sonne schenkt – alle Tage, die nur ein Windhauch sind. Ja, das ist dein Anteil am Leben und an deiner Arbeit, mit der du dich unter der Sonne abmühst. Was immer deine Hand zu tun bekommt, das tu mit deiner ganzen Kraft! Denn du bist unterwegs in die Unterwelt. Dort aber kannst du nichts mehr tun und planen, nichts mehr wissen und denken.

Kohelet (Prediger) 9,7-10 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe Genussmenschen und solche, die sich noch scheuen,

ich danke Gott für Bibelstellen wie diese. Ich bin fröhlich über biblische Aussagen, die mich überraschen, weil sie dem widersprechen, was wir zu wissen meinen. Denn was wollen Christentum und Bibel? Natürlich uns auf das Jenseits vertrösten. Was sollen wir tun? Natürlich uns alle Freude in diesem Leben versagen. Das sind natürlich Vorurteile gegenüber dem Christentum, aber wie schön ist es doch, in der Bibel einen unmissverständlichen Aufruf zu lesen, das Leben und die Freude daran zu umarmen! Es scheint, als sei Kohelet, der Verfasser dieser Zeilen, gleichzeitig der Erfinder der Aufforderung "Carpe diem!" als auch des Liedes "Highway to Hell". Genieße das Leben, jeden Tag davon, denn du bist unterwegs in die Unterwelt!

Nun gut, es hat sich einiges getan in der Unterwelt, seit Kohelet diese Zeilen schrieb. Jesus war dort und hat das Licht angemacht. Sie ist nicht mehr die Endstation, aber das ändert nichts daran, dass wir alle sterben werden. Und noch etwas wundervoll Überraschendes steht in diesem Text: "Gott gefällt schon lange, was du tust." Das klingt so gar nicht nach: "Du kannst dich so anstrengen, wie du willst. Gott kannst du es nie recht machen." Im Gegenteil: Gott freut sich längst an dem, was du machst!

Wie geht man am besten um mit solchen theologischen Querschlägern? Zunächst einmal ist Freude über solche Funde angemessen. Es beweist, dass die Bibel nicht mit einer Stimme spricht, sondern vielfältig ist. Der zweite Schritt muss dann aber sein: Stelle den Text in den biblischen Zusammenhang und frage dich, wie mit Aussagen umzugehen ist, die anderen widersprechen. Wie ist es mit: "Gott gefällt schon lange, was du tust"? Sagt nicht Jesus, dass wir umkehren sollen? Sind wir nicht alle weniger auf dem Weg in die Unterwelt als tatsächlich in die Hölle, weil wir Gott und einander gerade nicht so lieben wie uns selbst?

Hier hilft es wieder einmal, genauer hinzuschauen. Der Text ruft weder zum Egoismus auf noch zur Maßlosigkeit, noch zu Ausschweifungen oder Faulheit. Es geht um Fröhlichkeit angesichts eines Lebens, das nun einmal so ist, wie es ist: endlich und manchmal mühselig. Der Aufruf von Kohelet lautet: Pack zu! "Was immer deine Hand zu tun bekommt, das tu mit deiner ganzen Kraft!" Das gilt bei Kohelet für die Arbeit ebenso wie für die Liebe und den Genuss. "Genieße das Leben mit einem Menschen (Kohelet schreibt hier "Frau"), den du liebst!" Wer mag, darf hier ruhig hören: "Und nicht mit jemandem, den du nicht liebst." Iss Grundnahrungsmittel (Brot) und Delikatessen (Wein) fröhlich. Zieh auch im Homeoffice Kleidung an, die du zum Ausgehen tragen könntest (Festkleidung). Tue alles richtig, freue dich an jedem Tag, denn deine Zeit ist endlich und jeder Tag ist ein Geschenk.

Und bedeutet der Aufruf Jesu zur Umkehr denn, dass Gott keinerlei Freude an dem hat, was wir tun? Bestimmt nicht. Ein Gott, der sich über uns ärgern kann, ist bestimmt auch in der Lage, sich über uns zu freuen. Und er freut sich sogar mit uns. Als Gott in Jesus Christus Mensch wurde, tat er ebenfalls das, was Kohelet empfiehlt. Er feierte sein Gastspiel auf Erden. Zum Brot gab es Wein bei ihm, und er ließ sich anscheinend gern das Haar mit Öl behandeln. Und ich bin mir sicher, dass Jesus dem Satz zugestimmt hätte, dass man, was immer man anfasst, auch mit ganzer Kraft tun sollte.

Jesus warnt davor, Schätze sammeln zu wollen. Er hat aber nichts dagegen, mit Reichtum verschwenderisch umzugehen. Und das ist es schließlich, was Kohelet rät: Spare nicht, sondern gib aus! Halt dich nicht zurück für eine Zukunft, die ohnehin begrenzt ist! Liebe, lebe, genieße in Dankbarkeit für die Zeit, die dir geschenkt ist. Die Wochenaufgabe lautet: Verschwenden Sie etwas! Und zwar so richtig!

Eine frohe Karnevalszeit, Fasching, Fastnacht, wie immer Sie mögen!

Ihr Frank Muchlinsky

Postskriptum

Liebe Abonnent:innen, dies war der letzte Zuversichtsbrief. Ab Aschermittwoch wird es wieder die Fastenmails von "7 Wochen Ohne" geben. Die schreibe ich ebenfalls, allerdings müssen Sie die gesondert abonnieren, wenn Sie sie regelmäßig in Ihrem E-Mail-Postfach haben möchten. Der Link zur Bestellung ist hier: 7wochenohne.de

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihre zahlreichen Rückmeldungen. Ob und wie es nach Ostern mit dem Zuversichtsbrief weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Ich hatte den Zuversichtsbrief 2020 als Verlängerung der Fastenmails begonnen, weil die Corona-Epidemie andere Formen der Kommunikation so schwer möglich macht. Nun sind zwei Jahre um, und wir haben wieder viele andere Möglichkeiten, einander Zuversicht zu schenken. Ich suche ebenfalls nach neuen Wegen, mit Ihnen aus der Ferne im Kontakt zu bleiben. Im Augenblick muss ich gestehen, dass mir eher nach Reisen zumute ist als danach, weiterhin Briefe zu schreiben. Ich habe gehört, dass meine Briefe in einigen Gemeinden und Kreisen vorgelesen werden. Vielleicht laden Sie mich mal ein, dass wir uns gemeinsam über einen Bibeltext beugen können. Zuerst aber können Sie sich darauf freuen, dass die erste Fastenmail bereits am nächsten Mittwoch zu Ihnen kommt. Das Thema von "7 Wochen Ohne" lautet übrigens: "Üben! Sieben Wochen ohne Stillstand." Ich bin gespannt, wohin die Reise geht.

Noch ein letztes Wort: Dieser Text entstand noch vor dem Angriff auf die Ukraine. Vermutlich würde ich ihn heute etwas anders schreiben, dennoch lasse ich ihn so stehen. Ich hoffe, Sie können auch jetzt etwas damit anfangen.

Gott segne uns alle!