Verschwörungsideologien spalteten Partnerschaften und Familien, sagte der Pfarrer im Zentrum Oekumene der hessen-nassauischen und kurhessischen Kirche dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Zahl der Beratungsfälle ist in der Pandemie stark gestiegen.
Vor der Pandemie seien 300 bis 400 Menschen jährlich in die Beratung gekommen, sagte der Experte für Weltanschauungen und neureligiöse Bewegungen. Im vergangenen Jahr seien es mehr als 500 gewesen. Täglich habe er drei bis vier Beratungen. "Die Fälle werden dramatischer", berichtete Koch. Jahrzehntelange Beziehungen seien am Zerbrechen, wenn ein Partner den ganzen Alltag durch die Brille einer Verschwörungsideologie sehe: "Menschen sind verzweifelt."
Vor allem Partner, die einen Verlust ihrer geliebten Beziehung fürchten, und junge Leute, die ihre Eltern oder Großeltern in einem "Querdenker"-Milieu abdriften sehen, suchen nach den Worten von Koch die Beratung auf. Die Klienten stammten aus dem Bildungsbürgertum, seien Ärzte, Lehrerinnen, Studierende.
Gemeinschaft, die exklusives Wissen teile
Das Abdriften in eine Parallelwelt könne sich in wenigen Wochen vollziehen. Menschen sehnten sich in der Pandemie nach einfachen und klaren Antworten. Eine Gemeinschaft, die exklusives Wissen teile, schweiße zusammen. Demonstrationen auf der Straße vermittelten Zusammenhalt und dienten der Selbstvergewisserung.
Gemeinsame Überzeugung von Verschwörungsideologien sei, dass das Leben von Mächten aus dem Hintergrund gesteuert werde. Rechtes, linkes und esoterisches Milieu durchmischten sich. In einem Fall habe eine junge Frau um Beratung gebeten, deren Vater ein Leugner der Corona-Pandemie sei und den selbst eine Covid-19-Erkrankung mit Koma auf der Intensivstation nicht bekehrt habe, berichtete Koch. Der Vater beharre darauf, von der Medizin nur als "Versuchskaninchen" missbraucht worden zu sein.
Die Beratung versuche, die Gemeinsamkeiten der Klienten zu stärken: "Was haben wir gerne zusammen gemacht?" In einem nächsten Schritt gehe es darum zu schauen, warum die Klienten sich auseinandergelebt haben. Grundsätzlich rate er, nie den anderen als Ideologen abzustempeln, sondern gesprächsbereit zu bleiben. Eine klare Grenze allerdings müsse gegenüber menschenverachtenden und rassistischen Aussagen gezogen werden, betonte der Referent.