Vor 500 Jahren, im Jahr 1522, wurde das jetzige Kirchgebäude in Beutelsbach, heute Teil von Weinstadt im Rems-Murr-Kreis, eingeweiht. Die spätgotische Westturm-Kirche mit ihrem einschiffigen Langhaus war damit dem aufstrebenden Haus Württemberg angemessen. Bis heute sind der Chor, die Sakristei und eines der Treppenhäuser mit gotischem Netzrippengewölbe erhalten.
Zwar hatte Graf Eberhard von Wirtenberg - wie sich das Adelshaus damals schrieb - die Grablege des Hauses schon um 1320 von Beutelsbach nach Stuttgart verlegt. Doch bis heute gilt die Beutelsbacher Stiftskirche als "das Gotteshaus an der Wiege Württembergs". So lautet auch der Untertitel des Jubiläumsbuchs, das mit Landesbischof Frank Otfried July am Sonntag (22. Januar, 18 Uhr) vorgestellt wird.
Der Festakt am 22. Januar wird wegen der Corona-Pandemie im Internet gestreamt. Ein ganzes Jahr mit vielen Höhepunkten soll folgen, sagte Pfarrer Rainer Köpf. Im Februar gibt es etwa eine Bibelwoche zu Themen aus den Kunstfenstern der Kirche, die von Wolf-Dieter Kohler, Gerhard Dreher, Professor Hans Gottfried von Stockhausen und Ada Isensee zwischen den 1960er Jahren und 2009 geschaffen wurden. Im März wird die Münchner Kunsthistorikerin Christa Birkenmaier ein Buch über Kohler vorstellen.
Von 30. September bis 3. Oktober soll ein Jubiläumsfest stattfinden, pünktlich zum Gedenktag von Kirchenpatron Leodegar am 2. Oktober. Kurz vor dem Reformationsfest gibt es zudem Aufführungen des Historienspiels "Der Beutel von Beutelsbach" aus der Feder von Rainer Köpf. Das Jubiläumsjahr endet nach bisherigen Planungen im November mit einem Kirchenkonzert. Köpf und sein Pfarrerkollege Timotheus Rölle hoffen, dass die Corona-Pandemie nicht zu viel Umorganisieren nötig macht.
Eigentlich ist die Beutelsbacher Kirche wesentlich älter als 500 Jahre. Der Historiker und Journalist Hans-Dieter Frauer geht davon aus, dass eine Kirche an dem Ort um das Jahr 1000 entstanden ist. 1080 wurde die ursprünglich romanische Wehrkirche erstmals urkundlich erwähnt, als Konrad von Wirtenberg Luitgard von Beutelsbach heiratete. Beutelsbach gelte als "ältester Besitz des Hauses Württemberg", sagt Frauer.
Steine aus romanischer Zeit
Die Beutelsbacher Kirche wurde Grablege des Hauses Wirtenberg und ein Chorherrenstift wurde gegründet. Das Stift wurde dann von Graf Ulrich I. (um 1226-1265) neu ausgestattet und vergrößert. In der Stiftskirche ist bis heute das älteste erhaltene Württemberg-Wappen zu sehen und verweist auf die Bedeutung von Beutelsbach als "politisches und militärisches Zentrum der Württemberger". Herzog Ulrich I. (1487-1550) veranlasste im 16. Jahrhundert den Ausbau zur heutigen Form.
Heute ist die Stiftskirche "das markanteste Bauwerk Beutelsbachs". In ihren Mauern schlummern noch Steine der älteren Vorgängerkirche aus romanischer Zeit. Auch der Unterbau des Turms ist romanisch. Ihr Taufstein stammt aus dem Jahr 1416, Tafelbilder an der Empore aus dem späten 16. Jahrhundert, die Kanzel ist vom Ende des 17. Jahrhunderts, das schmiedeeiserne Altargitter vom Anfang des 18. Jahrhunderts.
Aufstand wegen erdrückender Steuerlast
Zur 450-Jahr-Feier der Kirche 1972 schuf der Stuttgarter Künstler Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) das Wein- und das Weizentor. In den vergangenen drei Jahren wurde die Kirche grundlegend renoviert. Nun ist der "Weinstädter Dom" auch technisch auf dem neuesten Stand.
Dass es in Beutelsbach über Jahrhunderte ein württembergisches Chorherrenstift gab, wirkte sich auch politisch aus: Der Stiftspfleger, ein württembergischer Beamter, musste den Beutelsbacher Wein zum größten Teil an den württembergischen Hof nach Stuttgart liefern. Als den Beutelsbachern die Steuerlast zu drückend wurde, erhob sich 1514 der Aufstand des "Armen Konrad", ein Jahrzehnt vor dem Bauernkrieg.
Der Aufstand scheiterte letztendlich. Dennoch blieb der "Tübinger Vertrag", der erstmals in Deutschland die Macht des Fürsten konstitutionell begrenzte. "Der Vertrag wurde zwar oft gebrochen, hat aber im Selbstverständnis der Bürger Spuren hinterlassen", resümiert Hans-Dieter Frauer.
Ganz besonders möglicherweise in Beutelsbach. Denn ein Beutelsbacher Pfarrer hat im Revolutionsjahr 1848 aufgeschrieben: "Der Arme Konrad hat hier immer noch Samen und glimmt von Zeit zu Zeit aus der Asche hervor." Entschlossener Mut und die konsequente Bereitschaft zum Widerstand gegenüber dem Unrecht seien zwei hervorstechende Charaktermerkmale der Beutelsbacher.