Es war auch eine Prophetin im Tempel. Sie hieß Hanna und war eine Tochter Penuels aus dem Stamm Ascher. Hanna war schon sehr alt. Nach ihrer Hochzeit war sie sieben Jahre mit ihrem Mann verheiratet gewesen. Seitdem war sie Witwe und nun vierundachtzig Jahre alt. Sie verließ den Tempel nicht mehr und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. Jetzt kam sie dazu und lobte Gott. Dann erzählte sie allen von dem Kind, die auf die Rettung Jerusalems warteten.
Lukas 2,36–38 in der Übersetzung der Basisbibel. Hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe Jahresfrischlinge,
eine frohe Epiphaniaszeit wünsche ich Ihnen! Epiphanias ist wie ein zweites Weihnachten. Es ist die Zeit, in der den Menschen klar wird, was da geschehen ist in der Nacht mit den Engeln, den Hirten und dem Stall. Der da in der Krippe liegt, ist eine "Erscheinung" (Epiphanie) Gottes selbst. Für die orthodoxen Kirchen ist das Erscheinungsfest das eigentliche Weihnachtsfest. Die evangelischen Kirchen haben es noch in ihrem Festkalender, aber es wird von der volkstümlichen Tradition des "Dreikönigstages" deutlich überlagert. Dabei ist die Geschichte der Weisen aus dem Osten eine von den Geschichten, die von der "Epiphanie" erzählen, denn sie haben erkannt, dass sich Gott in dem kleinen Neugeborenen offenbart. Darum bringen sie nicht nur Geschenke mit, sondern sie beten ihn an.
Die biblischen Geschichten, in denen sich Jesus als der Sohn Gottes offenbart, sind häufig so erzählt, dass man sofort merkt, es bahnt sich dort etwas an. Ein Stern geht auf und verheißt einen messianischen König der Juden, Jesus setzt im Johannesevangelium sein erstes Zeichen, indem er auf einer Hochzeit aus Wasser Wein macht, damit alle sehen, dass die Zeit des großen Festes begonnen hat. Im Lukasevangelium geschieht die Epiphanie einerseits gleich an der Krippe, andererseits auch kurz darauf im Tempel. Die beiden kleinen Geschichten von Simeon und Hanna, die im Tempel den kleinen Jesus sehen und sofort erkennen, dass er derjenige ist, den Gott versprochen hat, sind durch und durch gefüllt von heiligen Zeichen.
Schon der kurze Abschnitt mit Hanna enthält so viele Hinweise auf den Messias, dass einem beinahe schwindelig wird. Zunächst findet das Geschehen im Tempel statt, also in der unmittelbaren Nähe zur Wohnung des Gottes Israels. Dann heißt die Prophetin hier Hanna. So hieß schon die Mutter Samuels. Sie war ebenso wie Maria durch göttlichen Einfluss schwanger geworden und ihr Sohn war derjenige, der den kleinen David als den großen König Israels erkannte. Dann ist Hanna auch noch eine Tochter Penuels, was "Angesicht Gottes" heißt, wie der Ort, den Jakob nach seiner Begegnung mit Gott benannte. Das sind schon dick aufgetragene Farben für diese kleine Szene. Aber wem die Anspielungen noch nicht reichen, kann sich auch noch in mathematischen Andeutungen ergehen.
Hanna ist 84 Jahre alt, als Jesus in den Tempel gebracht wird. Das ist ein Zwölffaches von sieben. Sieben Schöpfungstage multipliziert mit den zwölf Stämmen Israels. Sieben Wochentage mal zwölf Monate. Sieben Jahre lang war sie verheiratet, bevor sie Witwe wurde. Man liest und weiß: Die Zeit ist reif für etwas ganz Großes. Und Hanna selbst könnte ebenfalls nicht besser vorbereitet sein auf ihre Erscheinung. Sie ist Prophetin, das heißt, sie versteht Gott besser als andere Menschen, weiß die Zeichen zu deuten, außerdem dient sie Gott auch stellvertretend im Tempel durch ihr Gebet und ihr Fasten. Jetzt kommt sie zu Maria und Josef, die mit ihrem Kind in den Tempel gekommen sind. Eben hat Simeon bereits verkündet, dass er nun fröhlich sterben kann, weil er den Erlöser gesehen hat. Hanna übernimmt und lobt Gott. Das Kind da ist der, auf den alle gewartet haben.
Anders als für Simeon ist die Epiphanie des Heilands für Hanna kein Grund, sich nun zur Ruhe zu betten. Sie "erzählt allen, die auf die Rettung Jerusalems warten", von dem Kind. Für Hanna ist die Begegnung mit dem kleinen Jesuskind nicht die Erfüllung ihres eigenen Lebens, sondern die Erfüllung einer Verheißung. Darum ist Epiphanias für die 84-Jährige ein Auftrag. Wer erkennt, dass die Rettung da ist, muss das ebenso weitersagen, wie man vor einem drohenden Unheil warnen muss. Unsere Realität ist deutlich unberechenbarer. Wir erkennen zwar Hoffnungszeichen, aber wir müssen uns immer wieder klarmachen, dass wir Gottes Pläne eben nicht wie Prophetinnen erkennen.
Anfang des letzten Jahres habe ich Ihnen eine Wochenaufgabe gestellt, bei der ich Sie aufgefordert habe, Einträge in Ihrem Kalender zu machen, die Sie auf das Unberechenbare hinweisen sollten. Ich habe viele positive Rückmeldungen darauf erhalten. Darum möchte ich Ihnen vorschlagen, die Wochenaufgabe zu wiederholen. Nehmen Sie sich also Ihren Kalender für das Jahr 2022 und einen Würfel. Würfeln Sie einmal und multiplizieren Sie die Augenzahl des Wurfes mit zehn. Dann zählen Sie die entsprechende Anzahl an Tagen, beginnend mit dem heutigen Datum, ab und machen sich ein Zeichen in den Kalender, das Sie wiedererkennen werden. Es soll ein Zeichen für das Unberechenbare sein. Würfeln Sie erneut und zählen Sie von Ihrem ersten Eintrag an weiter. Wiederholen Sie den Vorgang, bis Sie zum Ende des Jahres kommen. Wenn Sie nun im Laufe des Jahres die Zeichen wiederentdecken, lassen Sie sich an die Weisheit erinnern, dass Gottes Plan anders ist als Ihre Pläne. Machen Sie Ihr Herz und Ihren Geist weit für das Unberechenbare, das unser Leben bereithält! Vielleicht ändern Sie sogar einen Plan an diesen Tagen.
Alles Gute für Sie!
Ihr Frank Muchlinsky