Unter den Geimpften waren bis zum frühen Mittwochabend mehr als 600 Kinder, sagte die Medizinerin Agnes Genewein vom Vorstand des Kinderkrankenhauses auf der Bult in Hannover. Gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, den Johannitern und den Maltesern hatten Mitarbeitende der Kinderklinik im VIP-Bereich des Stadions zwei Impfstraßen für Erwachsene und Kinder mit zusammen 21 Kabinen aufgebaut. Die Aktion sollte wegen der großen Nachfrage noch bis in die späteren Abendstunden andauern.
Die Veranstalter hatten ursprünglich zwei Tage vor Heiligabend ein großes Stadionsingen mit Weihnachtliedern geplant wie in Berlin oder Köln. Wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen hatten sie das Event jedoch in ein "Stadionimpfen" umgewandelt.
Der zehnjährige Niels gehört am Mittwochnachmittag zu den Ersten, die im Fußballstadion von Hannover gegen Corona geimpft werden. Nein, so richtig weh getan hat es nicht, erzählt er, als er anschließend in einer Lounge des Stadions ein wenig verschnauft. "Am Anfang hat man gar nichts gemerkt, aber am Ende einen leichten Piks." Aber wichtig ist ja sowieso etwas anderes, sagt Niels: "Ich fühle mich jetzt irgendwie stärker." Gemeinsam mit seiner achtjährigen Schwester Merle und seiner Mutter Julia Förster-Gieseke ist Niels am Mittwoch zum "Stadionimpfen" in die HDI-Arena gekommen, wo sonst bis zu 48.000 Zuschauer den Profis von Hannover 96 zujubeln.
Impfen statt Singen
In einem Büro des VIP-Bereichs hat er seine Spritze bekommen, mit direktem Blick durch eine Glasfront in die mächtigen Zuschauerränge. Eigentlich sollte an diesem Tag ein großes Weihnachtssingen auf den Rängen des Stadions stattfinden, gemeinsam veranstaltet von Hannover 96, den christlichen Kirchen und weiteren Partnern. Doch wegen der hohen Infektionszahlen haben sich die Initiatoren entschieden, die Singaktion in ein großes Impf-Ereignis zu verwandeln.
"Wichtig ist, dass wir einen attraktiven Ort gefunden haben, in der Mitte der Stadt, der auch Kinder anzieht", sagt der evangelische Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. "Das Ganze ist ein Lichtblick, das passt in die Zeit, das brauchen wir dringend." Das finden auch Niels und seine Schwester. Für das Impf-Event haben sie auch ihren Papa Martin mitgebracht, der sich gleich bei den Erwachsenen eingereiht hat.
Weihnachtslieder und Kakao verkürzen die Wartezeit
Mindestens 2.500 Menschen sind dem Impfaufruf gefolgt. In langen Schlangen harren sie vor dem Stadion aus und warten bei eisigen Temperaturen, bis sie an der Reihe sind. Gospel-Musiker sorgen mit Weihnachtslieder für ein stimmungsvolles Ambiente, Klinik-Clowns verkürzen mit riesigen Seifenblasen die Wartezeit. Dazu gibt es heißen Kakao und Souvenirs von Hannover 96.
Jan Geissler (45) hat es als einer der ersten bei den Erwachsenen geschafft. In einer Impfkabine streift er sein T-Shirt hoch und lässt sich von einer Krankenschwester seine Dosis Moderna verabreichen. Für ihn ist es schon die dritte Impfung. "Ich wollte vor Weihnachten noch die Booster-Impfung haben", erzählt er. Dass das nun geklappt hat, findet er "wunderbar". Bei seinem Hausarzt wäre er erst im Januar drangewesen, diesen Termin kann er nun für andere freigeben.
Zwei Impfstraßen haben die Helferinnen und Helfer vom Arbeiter-Samariter-Bund, von den Maltesern und den Johannitern aufgebaut - eine für Erwachsene und eine für Kinder. Mehr als 20 Kabinen stehen für die Impfungen zur Verfügung. Oberarzt Michael Brackhahn vom Kinderkrankenhaus auf der Bult ist zufrieden mit der niedrigschwelligen Aktion. "Jede Impfung ist ein Gewinn", sagt der 47-Jährige. "Jedes Kind und jeder Jugendliche, der geimpft werden möchte, sollte auch die Möglichkeit dazu erhalten. Denn das ist die einzige Chance, dass die Kinder ihr normales Vereins- und Freundesleben wiederbekommen."
Auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) findet die Idee des Stadionimpfens überzeugend. Diese könne dazu beitragen, dass viele Menschen die Scheu vor der Impfung ablegen, sagte er im Vorfeld. Denn das Stadion sei ein vertrauter Ort. Der Geschäftsführer von Hannover 96, Martin Kind, ist ebenfalls ganz angetan: "Ich bin ein bisschen stolz, für was so eine Arena alles verwendet werden kann: Fußball, Singen und jetzt Impfen." Und Stadtsuperintendent Müller-Brandes versichert: "Das Stadionsingen machen wir nächstes Jahr."