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Der 97. Zuversichtsbrief widmet sich der Schwelle zum neuen Jahr.
Zuversichtsbrief, Woche 97
Kämpfe mit deinen Dämonen!
Manchmal, wenn es es in die Zukunft geht, muss man sich vorher seinen Dämonen stellen. So hat es Jakob getan. Anschießend hinkte er, war aber auch gesegnet.

In derselben Nacht stand Jakob auf. Er weckte seine beiden Frauen, die beiden Mägde und seine elf Söhne. Denn er wollte den Jabbok an einer flachen Stelle überqueren. Zuerst ließ er die Frauen und Kinder den Fluss überqueren. Dann brachte er sein Hab und Gut hinüber. Er selbst blieb allein zurück. Plötzlich war da jemand, der bis zum Morgengrauen mit ihm kämpfte. Aber er sah, dass er Jakob nicht besiegen konnte. Da packte er Jakob am Hüftgelenk, sodass es beim Ringen ausgerenkt wurde. Dabei sagte er: "Lass mich los! Denn der Tag bricht an." Jakob entgegnete: "Ich lasse dich erst los, wenn du mich gesegnet hast." Der andere fragte Jakob: "Wie heißt du?" Er antwortete: "Jakob." Da sagte der andere: "Von nun an sollst du nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel, "Gotteskämpfer". Denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und bist Sieger geblieben." Jakob bat: "Sag mir doch deinen Namen!" Er erwiderte: "Wozu fragst du noch nach meinem Namen?" Und er segnete ihn dort. Jakob nannte den Ort Penuel, das heißt: Angesicht Gottes. Denn er sagte: "Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin am Leben geblieben." Als Jakob Penuel verließ, ging gerade die Sonne auf. Er hinkte wegen seiner verrenkten Hüfte.

1. Mose 32,23?32 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

 

Liebe Nachtmenschen,

ich grüße Sie von Herzen auf der Schwelle zum neuen Jahr. Lassen Sie mich mit einer Behauptung beginnen: Nichts im Leben ist so spannend wie Schwellen und Übergänge, wenn man weiß, dass etwas Altes zu Ende geht und etwas Neues beginnt. Gerade in einer Zeit, in der man das Gefühl hat, alles würde immer wieder gleich verlaufen, tut es gut, sich klarzumachen, dass sich eben nichts im Leben tatsächlich wiederholt. Selbst wenn es sich am Silvesterabend in diesem Jahr ganz ähnlich anfühlen mag wie im letzten Jahr, ist doch alles anders geworden. Wir sind nicht dieselben, die Welt ist nicht dieselbe. Alles hat sich verändert, selbst wenn wir es kaum wahrnehmen. Selbst unsere Sorgen sind ein wenig anders geworden. An den Schwellen wird uns das bewusst. Wir nehmen wahr, dass Altes unwiederbringlich vorbei ist. Abschiede können uns erleichtern und trauern lassen. Gleichzeitig wartet etwas Neues auf uns. Was aber neu ist, weckt unsere Neugier, Hoffnung und unsere Angst. Jeder Übergang ist eine Quelle sehr unterschiedlicher und starker Gefühle.

Darum haben wir für Übergänge Rituale entwickelt. Sie wirken wie Geländer auf einem gefährlichen Pfad. Je unsicherer man wird, desto stärker kann man sich an ihnen festhalten. Rituale geben uns den Eindruck der Wiederholung, während wir den Übergang begehen. Insofern ist das Verkaufsverbot von Silvesterfeuerwerk für viele Menschen eine echte Herausforderung. Es nimmt ihnen eine Routine, die ihnen an der Schwelle geholfen hat, und macht ihnen so deutlich, dass nichts bleibt, wie es war. So verstanden, vertreibt Feuerwerk tatsächlich böse Geister.

Mit wem kämpft Jakob, als er den Fluss Jabbok überquert? Ist es ein Geist? Ist es ein Engel? Oder ist es tatsächlich Gott selbst? Schon im Bibeltext selbst stecken ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Jakob macht sich auf den Weg, sich nach Jahren mit seinem Bruder Esau zu versöhnen. Der hat ihn damals mit dem Tod gedroht, weswegen Jakob floh. Nun ist es für Jakob an der Zeit, sich seinem Bruder und damit seiner Vergangenheit zu stellen. Die Schwelle, die Jakob dafür noch überqueren muss, ist ein Fluss. Auf der anderen Seite wartet Esau auf ihn, und es ist vollkommen unsicher, wie er Jakob und seine Familie empfangen wird. Wir wissen nicht, warum Jakob sich ausgerechnet in der Nacht aufmacht, den Fluss zu überqueren. Vielleicht will er, wenn die Sonne aufgeht, bereits angekommen sein. Vielleicht konnte er auch einfach nicht schlafen, angesichts dessen, was vor ihm lag. Jedenfalls gerät er in die Fänge eines "Jemands", der mit ihm kämpft. Hat ein Flussdämon Jakob überfallen? Es bleibt ganz vage, ebenso wie die Frage, wer diesen Kampf begonnen hat. Die Szene wird zunächst beschrieben, als würde jemand sie vom anderen Ufer aus beobachten. Plötzlich ist da ein Kampf im Gang, der anscheinend Stunden andauert.

Dann hören wir die Kämpfenden reden, doch auch diese Konversation erscheint seltsam unzusammenhängend und bruchstückhaft, ebenfalls wie aus der Ferne. "Lass mich gehen!" "Segne mich erst!" "Wie heißt du?" "Jakob." "Nein, Israel!" "Wie heißt du?" "Warum willst das das wissen?" Zwischendurch Schmerzenslaute und Segensworte. Am Ende kommt Jakob am anderen Ufer an. Er ist nicht mehr derselbe. Er hinkt jetzt, ist gesegnet und hat einen anderen Namen. Jakob ist Israel geworden. Nach ihm heißt Gottes Volk. Nach demjenigen, der mit sich gekämpft hat, mit Menschen, mit Dämonen, mit Gott selbst. Er hat überlebt. Jetzt wird er sich der Begegnung mit seinem Bruder stellen.

Jakob hat seine Schwelle bewusst allein überschritten. Er hat absichtlich weitergekämpft, als der andere bereits gehen wollte. Es scheint mir, als wollte er auf dem Weg zur Versöhnung mit seinem Bruder den Kampf einmal kämpfen, den er schon so lange in sich trug. Als wollte er sich einmal seines Segens und seiner Verletzungen, die er längst angesammelt hat, bewusst werden. Dafür musste er sich mitten in der Nacht seinen Dämonen stellen. Wie jeder Mensch ist Jakob gesegnet und verwundet zugleich, aber er hat sich beidem gestellt und es erkannt.

Wochenaufgabe: Gehen Sie bewusst in das neue Jahr! Machen Sie sich deutlich, was Sie mitnehmen, wie Sie sich verändert haben und wie anders das Neue sein wird.

Gott segne Sie!

Ihr Frank Muchlinsky