Potsdam (epd). Der Prozess wegen der Tötung von vier Schwerstbehinderten im Potsdamer Oberlinhaus ist am Dienstag fortgesetzt worden. Die 52-jährige Angeklagte muss sich wegen Mordes und weiterer Straftaten verantworten. Angehörige von Opfern berichteten vor dem Landgericht Potsdam von einer Verschlechterung des Pflegezustands ihrer Angehörigen in den Jahren vor der Tat. So sagte der Onkel eines der Opfer aus, er habe seine Nichte Martina W. bei Besuchen zuletzt nicht mehr im Rollstuhl, sondern in den beiden Jahren vor Ausbruch der Corona-Epidemie nur noch im Bett angetroffen.
Der Onkel bezeichnete die Lage in der betreffenden Wohnpflege als „katastrophal“, es sei „kaum jemand da“ gewesen. Die Schwester eines weiteren Opfers sagte aus, ihr Bruder habe zuletzt nur noch im Bett gelegen und nach Urin gerochen. Für Haare- und Nägelschneiden sowie Ohrenreinigung und Staubwischen im Zimmer ihres Bruders habe sie bei Besuchen selbst sorgen müssen. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass „nichts mehr gemacht wird“.
Zuletzt habe sie zwei Wochen vor der Tat der Pflegeleitung mitgeteilt, dass sie mit der Behandlung ihres Bruders nicht einverstanden sei. Über den Tod ihres Bruders habe sie durch die Polizei erfahren. Sie wartete nach eigenem Bekunden vergeblich auf einen Anruf des Oberlinhauses.
Die Gewalttat im Potsdamer Oberlinhaus Ende April sorgte deutschlandweit für Entsetzen. Zum Auftakt des Prozesses berichtete die angeklagte langjährige Mitarbeiterin über ihre psychischen Beeinträchtigungen und Personalmangel in der diakonischen Einrichtung. Die Staatsanwaltschaft geht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit der 52-Jährigen aus.