Düsseldorf (epd). Viele der milliardenschweren Corona-Hilfen der Bundesregierung verstärken einer Studie zufolge Schieflagen in der Gleichstellung von Frauen und Männern vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Die Analyse zeige, dass 38 Prozent der 108 untersuchten Maßnahmen Männern eher nutzten als Frauen, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag mit. Für 21 Prozent sei der absehbare Nutzen für Frauen größer einzuschätzen als für Männer.
Untersucht wurden den Angaben nach die drei zentralen Corona-Hilfspakete der Bundesregierung, darunter auch das Kurzarbeitergeld, der Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende, der Kinderbonus und Hilfen für Selbstständige. „Die Studienergebnisse bedeuten nicht, dass nicht auch Frauen von den Hilfspaketen profitiert haben und profitieren“, betonte Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Aber sie zeigen, dass viele Maßnahmen so aufgesetzt waren, dass sie seltener und in geringerem Umfang Frauen nutzen als Männern.“
Sie kritisierte, dass die zwingend vorgeschriebene Abschätzung von Gesetzesfolgen auf die Gleichstellung ausgerechnet bei diesen Multi-Milliarden-Paketen im Kampf gegen Corona nicht effektiv vorgenommen worden sei. Besondere Belastungen, die zum Beispiel viele Mütter tragen mussten, wenn sie wegen geschlossener Schulen und Kitas ihre Erwerbsarbeit reduziert hätten, seien nicht ausgeglichen worden. Im Gegenteil: „Der Rückstand zu Männern wurde eher noch vergrößert“. Das sei ein Beispiel für eine geschlechterblinde Politik, wie es sie im Jahr 2021 eigentlich nicht mehr geben sollte, sagte die Direktorin.
Studien-Autorin Regina Frey, die als Expertin für Gleichstellungsfragen auch Kommunen, Bundesländer und Bundesbehörden berät, forderte für künftiges Krisenmanagement ein Monitoring der Hilfen, das nach Geschlecht und gegebenenfalls auch nach anderen sozialen Kategorien differenziert werde. Das sei internationaler Standard „und Teil eines guten Regierungshandelns“.
Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB und Kuratoriumsvorsitzende der Hans-Böckler-Stiftung, sagte: „Wir brauchen eine nachhaltige Gleichstellungsstrategie und bei allen Regierungsvorhaben schon in der Planung einen Gleichstellungscheck.“ Das sei grundlegender Anspruch der Gewerkschaften an die neue Bundesregierung.
Bis heute sei es der Politik trotz gesetzlicher Verpflichtungen nicht gelungen, die Benachteiligung von Frauen zu beenden, hieß es. Das sei nicht nur bei den Corona-Hilfen des Bundes zu sehen, sondern auch ganz deutlich bei zwei Regelungen, die der DGB seit Jahren als Fehlanreize geißele: die Minijobs und die Steuerklasse V. Sie hätten sich auch in der Corona-Krise als „Treiber der Geschlechterungerechtigkeit erwiesen“ und gehörten von der künftigen Bundesregierung schleunigst abgeschafft - ebenso wie das Ehegattensplitting.