Warum sind die Völker in Aufruhr geraten? Wozu schmieden die Nationen sinnlose Pläne? Die Könige der Welt erheben sich. Und die Fürsten tun sich zusammen gegen den Herrn und seinen Gesalbten: „Lasst uns ihre Fesseln zerreißen! Lasst uns ihre Stricke durchtrennen, dann können wir das Joch abwerfen!“
Doch der im Himmel wohnt, lacht darüber. Der Herr spottet über ihr Tun. Und wenn die Zeit gekommen ist, wird er voller Zorn zu ihnen sprechen. Mit seiner Wut wird er sie erschrecken: „Ich selbst habe meinen König eingesetzt auf dem Zion, meinem heiligen Berg!“
Sein König wird bekannt geben, was der Herr beschlossen hat: „Er sagte zu mir: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich geboren! Wenn du mich bittest, mache ich die fremden Völker zu deinem Eigentum. Die fernsten Länder der Erde gebe ich dir zum Besitz. Mit eisernem Herrscherstab sollst du sie zerschlagen. Wie Tongefäße sollst du sie in Stücke schlagen.“
Darum, ihr Könige, kommt zur Einsicht! Lasst euch warnen, ihr Herrscher der Welt! Unterwerft euch dem Herrn mit Furcht und küsst ihm die Füße mit Zittern! Sonst wird er zornig werden, und ihr werdet umkommen auf dem Weg. Denn nur zu leicht entflammt sein Zorn. Glücklich sind alle, die bei ihm Zuflucht suchen!
Psalm 2 in der Übersetzung der Basisbibel, hier gelesen von Helge Heynold.
Liebe Lebende,
regelmäßig schaffen es englische Wörter und Redewendungen, Teil unseres deutschen Sprachschatzes zu werden. Einige von ihnen werden eingedeutscht, so dass wir ihre Herkunft gar nicht richtig wahrnehmen. Kaum jemand wundert sich noch darüber, wenn etwas „Sinn macht“, obwohl es im Deutschen „sinnvoll“ sein sollte oder „Sinn ergeben“. Aber es macht schon Sinn, wenn sich in einer globalisierten Welt auch die Sprachen mischen. Und ob man das Portemonnaie nun beim Friseur oder beim Hairstylisten zückt, spielt keine große Rolle. Dennoch kann ich mich über bestimmte neue Redewendungen echauffieren, denn das gehört ja zum Leben dazu, dass man sich über Dinge ärgert, die einem eigentlich nichts antun, denke ich mir leicht grinsend. So will ich heute die Redewendung „am Ende des Tages“ aufs Korn nehmen. Sie ist die wörtliche Übersetzung des englischen „At the end of the day“ und meint „letztendlich“. In letzter Zeit will es scheinen, als geschähe alles „am Ende des Tages“. Turniere werden nicht mehr mit dem Finale entschieden, sondern am Ende des Tages. Ob Pläne aufgehen, stellt sich ebenso am Ende des Tages heraus, wie ob Sauerteige aufgehen. Warum nur? Was ist los mit uns, dass wir diese Redewendung ständig nutzen?
Vielleicht liegt es an der Pandemie oder am Klimawandel. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns ständig in einer Endzeit wähnen, quasi am Ende aller Tage? Das scheint mir eine sinnvolle Vermutung zu sein. Corona hat uns seit zwei Jahren in einen Zustand des Dämmerns versetzt, so dass um uns herum auch die Welt zu dämmern scheint. Noch ist nicht aller Tage Abend, doch diese Redewendung ist gerade unpopulär geworden. Sie klingt nach Durchhalteparole oder gar nach Weckruf, dabei möchten wir doch erst dann wieder aufwachen, wenn alles vorbei ist.
Und nun feiern wir auch noch Totensonntag beziehungsweise Ewigkeitssonntag. Das Kirchenjahr geht zu Ende. Das bedeutet traditionell, sich daran zu erinnern, dass das Leben begrenzt ist, sogar mit der Welt wird es ein Ende haben. Texte vom „jüngsten Tag“ werden vorgelesen, an dessen Ende alle Toten auferstanden sind, Gericht gehalten wurde und Gott die Erde neu schafft. Am Ende des Tages übernimmt Gott.
Ich habe Ihnen auch solch einen Text mitgebracht, der einen Blick auf den Tag wirft, an dem Gott sich einmischt. „Wenn die Zeit gekommen ist“, so lautet die Formulierung hier, wird Gott all denen, die meinen, sie könnten die Geschicke der Welt lenken, zeigen, wer tatsächlich am Ruder steht. Schon jetzt lacht Gott über die angeblich Mächtigen. Am Ende des Tages wird es sich zeigen, wer hier Eisen ist und wer Keramik. Dieser Text ist wie viele seiner Art in einer Zeit der Unterdrückung oder Bedrohung geschrieben worden. Aus ihm spricht die Sehnsucht. Wer unter der Gegenwart leidet, wünscht sich das Ende dieses Zustands häufig möglichst drastisch, und so ist es auch in Psalm 2. „Schlag drauf, Gott! Lach über die, die über uns lachen. Mach ein Ende, dann werden wir ja sehen!“ Die Beterin oder der Beter des zweiten Psalms macht sich einen Spaß daraus, denen zu drohen, die selbst bedrohlich sein wollen: „Küsst lieber Gottes Füße!“
Am Ende des Kirchenjahres gönnt sich die Christenheit diesen Blick auf das Ende des jüngsten Tages, an dem es sich endlich lohnt, auf der richtigen Seite zu stehen. Endlich einmal dafür belohnt werden, dass man nicht nur an sich gedacht hat, sondern sich um andere gekümmert hat. Endlich einmal Lob dafür zu bekommen, dass man bis zur Erschöpfung und darüber hinaus für andere gearbeitet hat! Endlich einmal selbst in den Arm genommen werden, endlich einmal zu denen gehören, die verschont werden. Dieser Geisteszustand soll nicht lange anhalten. Niemand soll sich in Selbstgerechtigkeit üben, aber am Ewigkeitssonntag dürfen sich alle, die unter der Gegenwart leiden, eine Zukunft ausmalen, die viel, viel besser ist.
Und dann, am Ende der Woche, die mit dem Ewigkeitssonntag begonnen hat, fängt der Advent an. Dann ist es wieder Zeit zu warten, nicht auf das große Draufhauen Gottes, sondern darauf, dass ein Baby geboren wird. Und diese Hoffnung lässt uns wieder selbst zärtlich werden, wieder Verantwortung übernehmen und uns kümmern.
Wochenaufgabe: Gönnen Sie sich ein Lachen über die angeblich Mächtigen der Welt! Stellen Sie sich vor, wie die Tyrannen fallen, wie die Autokraten machtlos werden. Stellen Sie sich vor, dass Gott ebenfalls über ihre Mühen lacht, immer mächtiger zu werden, und dass sie am Ende des Tages zitternd Gottes Füße küssen werden.
Bis bald!
Ihr Frank Muchlinsky