Trier (epd). Der Trierer Soziologe Michael Jäckel hat die Hoffnung geäußert, dass den Menschen an Weihnachten trotz steigender Corona-Zahlen die Begegnung in Kirchenräumen und Familien nicht genommen wird. Das müsse gerade für dieses besondere Fest gelten, „auf das sich so viele Menschen freuen, ob sie religiös sind oder nicht“, sagte der Universitätsprofessor und Präsident der Universität Trier dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Widerstandskraft der Seele habe auch ihre Grenzen.
Die Corona-Pandemie habe gezeigt, welch großen Stellenwert Weihnachten und Ostern als Feste im Kalenderjahr haben, fügte der 62-jährige Forscher hinzu. Aber auch viele Feiern im Freundes- und Familienkreis sorgten für den Zusammenhalt im Kleinen und im Großen, also auch für die Gesellschaft. Trotz aller „Individualisierungstendenzen, die man für unsere Gesellschaft seit mehr als 50 Jahren diagnostiziert, sind diese Anker sehr wichtig“. Gerade in Krisen wie der Corona-Pandemie wollten die Menschen nicht alleine sein. Jäckel warnte vor zunehmender Resignation, wenn hier erneut Verzicht gefordert werde.
Weihnachten sei eine „wichtige gesellschaftliche Auszeit“, sagte Jäckel. Daher solle man das Fest mit allen nötigen Hygiene-Leitplanken und Vorkehrungen in Präsenz stattfinden lassen. Weihnachten sei für viele auch Zeit der Bilanz, Rückblick auf schöne und traurige Ereignisse des vergangenen Jahres: „Das Fest wird zum Fluchtpunkt vieler Fragen, die zumindest einmal im Jahr gestellt werden und auch danach bleiben, allenfalls vorübergehend leichter zu ertragen sind.“ Weihnachten sei daher auch eine „Zeit der Erinnerung“.
Corona sei zudem eine Chance, das eigene Konsumverhalten zu überprüfen. Die angekündigten Lieferengpässe bedeuteten ja nicht, „dass existenzielle Bedürfnisse, also wirkliche Defizite, ausgeglichen werden müssen.“ Jäckel: „Eher geht es um Ansprüche. Wir leben ja nicht in einer Welt der Knappheit, die keine Alternativen kennt. Die Regale in Deutschland sind weitgehend voll.“ Es lebe daher die Überraschung. „Weihnachten wird also etwas unberechenbarer.“ Dass weltweit Container irgendwo festhängen, könne „doch nicht die Qualität dieses Festes aus den Fugen bringen. Dafür ist es allen zu heilig“, so Jäckel.
So, wie es im Alltag günstige Zeiten geben muss, in denen auch einmal in Ruhe etwas erledigt werden kann, „so sollte auch das Kaufen seinen Ort und seine Zeit haben“, räumte Jäckel ein. Ein früher Beginn der Festvorbereitung („Planen Sie bereits jetzt!“) werde von den meisten als Bevormundung und Verstoß gegen die Regel „Alles zu seiner Zeit“ empfunden. Man müsse sich ständig darin üben, die „emotionale Freude auf die traditionellen Tage und den Ort zurückzustellen“.
Mit Blick auf globale Lieferengpässe für viele Waren ermutigte der Soziologieprofessor zu mehr Kreativität: „Was heißt denn heute neu? Wir sollen uns doch ohnehin ständig erneuern. Also kann diesem Druck auch einmal mit Geduld begegnet werden.“ Das gegenseitige Beschenken solle dem anderen vermitteln, „dass man füreinander da ist, eine Form der Anerkennung, Dank“.
Man solle sich Gedanken machen, „was mein Gegenüber wirklich freut“. Jäckel: „Nicht käuflich bleibt die Hoffnung auf mehr Innerlichkeit und Nähe, das Fest wird mit oder ohne Gottesglauben ein Fluchtpunkt für alles, das dem alltäglichen Leben abhandengekommen ist.“