Jesus und seine Jünger kamen auf die andere Seite des Sees in das Gebiet der Stadt Gerasa. Sofort als Jesus aus dem Boot stieg, kam ihm aus den Grabkammern ein Mann entgegen. Der war von einem bösen Geist besessen. Der Mann hatte sein Zuhause in den Grabkammern. Niemand konnte ihn bändigen, nicht einmal mit Ketten. Schon oft hatte man ihm die Füße gefesselt und Ketten angelegt. Aber er hatte die Ketten und Fußfesseln immer wieder zerrissen. Keiner wurde mit ihm fertig.
Tag und Nacht war er in den Gräbern oder auf den Bergen. Dabei schrie er und verletzte sich selbst mit Steinen. Als der Mann Jesus von Weitem sah, lief er herbei und warf sich vor ihm nieder. Mit lauter Stimme schrie er: „Was willst du von mir, Jesus, Sohn des höchsten Gottes? Ich beschwöre dich bei Gott: Quäl mich nicht!“ Denn Jesus hatte zu ihm gesagt: „Du böser Geist, gib diesen Menschen frei!“ Jesus fragte ihn: „Wie heißt du?“ Er antwortete: „Ich heiße Legion, denn wir sind viele.“ Und er bat Jesus: „Vertreibe uns nicht aus dieser Gegend!“ Auf einem Berghang in der Nähe weidete eine große Schweineherde. Die bösen Geister baten Jesus: „Schick uns doch in die Schweine, damit wir in sie hineinfahren können.“ Und er erlaubte es ihnen. Da verließen die bösen Geister den Mann und fuhren in die Schweine. Die Herde stürzte sich den Abhang hinab in den See und ertrank. Es waren etwa 2000 Tiere.
Die Schweinehirten ergriffen die Flucht und erzählten davon in der Stadt und in den Dörfern. Die Leute kamen herbei, um selbst zu sehen, was geschehen war. Sie kamen zu Jesus und sahen den Mann, in dem die Legion böser Geister gewesen war. Er saß ruhig da, war angezogen und ganz vernünftig. Da fürchteten sich die Leute. Diejenigen, die es mit angesehen hatten, berichteten ihnen alles: Was mit dem Mann geschehen war, den die Dämonen beherrscht hatten, und wie es den Schweinen ergangen war. Da forderten sie Jesus auf, aus ihrer Gegend wegzugehen.
Markus 5,1-17 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe mehr oder weniger Selbstbestimmte,
wie weit sind Sie mit dem Herbst? Haben Sie ihn schon akzeptiert, sich bereits mit ihm arrangiert? Ich selbst muss zugeben, dass ich in meiner Trauer um den Sommer noch im Stadium der Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens bin. An meinem Auto sind noch die Sommerreifen, ich ziehe immer noch eher leichte Kleidung an und wundere mich, warum mir kalt wird, und vor allem will ich einfach nicht glauben, dass eine vierte Infektionswelle durch unser Land rollt und uns wieder starke Einschränkungen drohen. Sicherlich, ich werde deswegen nicht gleich leichtsinnig, aber es gibt Stimmen in mir, die mir zurufen: „Ach, du bist doch geimpft! Das ist jetzt eine Pandemie der Ungeimpften!“
Ich will diese Stimmen nicht. Ich mag sie nicht, denn ich will vernünftig sein und besonnen. Und dennoch melden sie sich immer wieder. Sie können auch im Chor auftreten mit Stimmen, die sich über alle ärgern, die nicht mitmachen, wenn es darum geht, gemeinsam ein Unglück zu verhindern. Meistens schaffe ich es, diese Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, aber das wird schwer, sobald ich meine Gedanken ausspreche. Dann kann es sein, dass andere mir zustimmen, und ehe ich es merke, halte ich meine inneren Stimmen für eine allgemeine Wahrheit. Dann fällt es mir nur umso schwerer, sie wieder infrage zu stellen.
Mit anderen Worten: Ich habe eine ungefähre Ahnung davon, wie es dem jungen Mann aus Gerasa in unserer heutigen Bibelstelle ergangen ist. Natürlich ist es bei ihm sehr viel schlimmer. Er hat keinerlei Kontrolle mehr über die Stimmen in seinem Kopf. Sie treiben ihn zur Gewalt gegen sich selbst und lassen ihn nur noch unter den Toten leben. Nicht er bringt sie zum Schweigen, sondern aus ihm sprechen nur noch die anderen Stimmen. Wessen Stimme ist es, die redet, als er auf Jesus zu rennt und ihn beschwört: „Bei Gott, quäl mich nicht“? Sind es die Stimmen in dem jungen Mann, die Dämonen, die sich fürchten, Jesus könnte sie „quälen“? Oder ist er es selbst, der sich davor fürchtet, was passieren könnte, wenn die Stimmen plötzlich ganz verstummen? Es wird aus dem Text nicht vollständig deutlich, ob der Mann noch eine eigene Stimme hat. Das allein ist eine schreckliche Situation, und sie erinnert mich ebenfalls an unsere Zeit. Wie viel von dem, was wir sagen, kommt tatsächlich aus uns selbst? Wie viel haben wir tatsächlich durchdacht? Oft habe ich den Eindruck, es sind lediglich die Stimmen anderer, die aus einzelnen Personen sprechen. Als ob eine „Legion“ von Stimmen, die auf uns eindringen, aus uns herausbricht, ungefiltert und gewaltsam.
Es ist gleichgültig, ob wir die Geschichte aus dem Markusevangelium mit den Augen der Zeit Jesu lesen und von Dämonen reden oder ob wir von Schizophrenie sprechen. So oder so ist es Jesus, der den jungen Mann von seinen Stimmen befreit. Er tut das, indem er sich darauf einlässt, mit den Stimmen zu reden. Er fragt sie nach ihrem Namen und lässt sich sogar auf eine Verhandlung mit ihnen ein, indem er ihnen gestattet, anstelle des Mannes eine Herde Schweine in den Abgrund zu stürzen. Lässt sich daraus eine Anweisung machen, wie wir unsere Stimmen loswerden können? Vielleicht so: Erkennen wir die Stimmen in uns zuerst als solche, die von außen gekommen sind! Schauen wir uns die Stimmen genauer an, fragen wir nach ihrem Namen, also nach ihrer Herkunft! Erlauben wir ihnen zu existieren, aber eben nicht in uns! Und – anders als in der Geschichte – seien wir immer wieder bereit, diesen Kampf zu führen.
Wochenaufgabe: Hören Sie Ihren inneren Stimmen kritisch zu! Fragen Sie sich immer wieder, ob es Ihre eigene Stimme ist, die Sie da hören, oder ob es das Echo einer Stimme von außen ist, die sich Ihrer bemächtigen will! Sollte das der Fall sein, schmeißen Sie sie raus!
Den Kranken wünsche ich Genesung, den Gesunden Geduld. Eine gesegnete Woche uns allen!
Ihr Frank Muchlinsky