Gleich drei Frauen werden in den kommenden Jahren die evangelische Kirche nach innen und außen vertreten. Das evangelische Kirchenparlament wählte am Mittwoch die westfälische Präses Annette Kurschus (58) an die Spitze des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs (60) ist künftig ihre Stellvertreterin. Zusammen mit der Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, bilden sie ein weibliches Führungstrio.
Die 25-jährige Philosophie-Studentin wurde bereits im Mai an die Spitze der EKD-Synode gewählt, die bis Mittwoch rein digital tagte. Heinrich übernahm zum ersten Mal die Sitzungsleitung und führte am Dienstag souverän durch die neun Wahlgänge der sich über elf Stunden hinziehenden Wahlen für den Rat der EKD. Sie bekannte am letzten Tag der Synodentagung: „Macht schon Spaß.“
Heinrich beschrieb nach der Wahl von Kurschus, welche Aufgaben auf die neue Ratsvorsitzende zukommen, die zwar in den vergangenen sechs Jahren schon stellvertretende Vorsitzende war, aber öffentlich bei weitem nicht so bekannt ist wie ihr Vorgänger, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. „Auch wenn wir im Rat viele sind, Du wirst vor Kameras stehen und in zahlreiche Mikrofone sprechen, Du wirst das Gesicht der evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit sein“, sagte Heinrich und versprach in einem Atemzug: „Wir werden das gemeinsam wuppen.“
Dem 15-köpfigen Rat gehören in Zukunft acht Frauen und sieben Männer an - darunter die 36-jährige Pastorin und Sinnfluencerin Josephine Teske, die 47-jährige promovierte Politologin Silke Lechner und die 37-jährige Anna von Notz. Das älteste Ratsmitglied ist der Pharma-Manager und Experte für Kirchenfinanzen Andreas Barner (68).
Prävention sexualisierter Gewalt ist Chefinnen-Sache
Kurschus setzte in ihrer Dankesrede nach der Wahl drei inhaltliche Akzente: Sie erklärte Gerechtigkeit angesichts der Bewältigung des Klimawandels als zentrales Anliegen. Als Zweites versprach sie, die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in der Kirche zur Chefinnen-Sache zu machen. Das Engagement für Geflüchtete nannte sie als Drittes. „Fremde sind uns in besonderer Weise ans Herz gelegt, sie zu ehren und zu schützen, ihre Würde zu achten - das ist uns von Gott aufgegeben“, sagte Kurschus, die wie schon bei ihrer Vorstellung am Sonntag betonte, die Mitte des Handelns der Kirche sei an den gesellschaftlichen Rändern bei den Schwachen und Verletzten zu suchen.
Das Engagement für Klimaschutz und Geflüchtete war auch für Kurschus' Vorgänger Bedford-Strohm zentral. Ihm dankte sie herzlich. Er habe in seiner Zeit als Ratsvorsitzender eine „starke Spur“ gelegt, an die der neue Rat nun anknüpfen könne.
Das Thema Missbrauch will Kurschus neu angehen. Dabei wird ihr ihre Stellvertreterin Fehrs eine Hilfe sein. Auch Fehrs gehörte schon dem vorangehenden Rat an und war Sprecherin des EKD-Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Betroffene hatten am Montag der EKD Versagen bei der Aufarbeitung vorgeworfen. Kurschus sagte, dass es jetzt vor allem darum gehe, Einigkeit in den Anerkennungsverfahren in den 20 evangelischen Landeskirchen herzustellen.
Die Synode beschloss am Mittwoch, eine synodale Kommission einzurichten, die den Fortschritt der Aufarbeitung überwachen soll und die Beteiligung von Betroffenen sicherstellt. Es wird eine zentrale Aufgabe des neuen Rates sein, eine verlässliche Mitarbeit Betroffener auf Augenhöhe an der Aufklärung der Missbrauchs-Vergangenheit der Kirche sowie Prävention zu organisieren. An diesem Versprechen wird sich Kurschus messen lassen müssen. Am Mittwoch sagte sie: „Wir haben keine Lösungen parat, einfache Lösungen erst recht nicht.“ Aber sie sei doch zuversichtlich. „Weil ich glaube, es geht mit uns - Gott weiß wohin.“