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Freitag, 12. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Das Leben ist kein Kindergarten: Umzugschaos"

Das Kunstwort „Dramedy“ bezeichnet Filme und Serien, die zu gleichen Teilen heitere wie ernste Momente enthalten. Gerade in der TV-Branche hat der Genrebegriff längst das etwas sperrige Kunstwort Tragikomödie verdrängt. Für die vorzügliche Fortsetzung des sehenswerten ARD-Freitagsfilms „Das Leben ist kein Kindergarten“ aber klingt „Dramedy“ im Grunde zu harmlos: weil Hauptdarsteller Oliver Wnuk, der auch diesmal wieder das Drehbuch geschrieben hat, Geschichten erzählt, die durchaus tragische Züge tragen. Das war im ersten Film auch schon so, doch der Tonfall war trotzdem vorwiegend heiter. Diesmal aber konfrontiert Wnuk einige seiner Figuren mit Herausforderungen, die durchaus existenzieller Natur sind; im Vergleich zu Themen wie Abtreibung oder Demenz wirkt eine Ehekrise fast harmlos.

Die Handlung beginnt mit einem Abschied: Ein letztes Mal paddelt Erzieher Freddy (Wnuk) mit seinem Kajak über den Bodensee. Ehefrau Juli (Meike Droste), Medizinerin, macht einen Karrieresprung nach Berlin, also zieht Familie Kleemann um, was mit den üblichen Reibungsverlusten einher geht. Die Streitereien mit Schwiegermutter Regina (Hedi Kriegeskotte), bei der das Paar mit seinen beiden Kindern vorübergehend einzieht, weil die neue Wohnung noch nicht bezugsfertig ist, sind da fast Petitessen. Auch die beruflichen Hürden scheinen nicht unüberwindbar: Freddy hat gemeinsam mit Kollegin Lara (Franziska Wulf) die Leitung einer Kita in Kreuzberg übernommen, muss sein neues Team aber erst mal von seinem Reformkonzept überzeugen. Tochter Zoe (Sophie Reiling) hat sich von Anfang an gegen die Entwurzelung gewehrt und kauft sich kurzerhand eine Fahrkarte zurück an den Bodensee, doch selbst für dieses Problem findet Freddy eine Lösung. All’ das aber wird zur Nebensache, als Juli feststellt, dass sie schwanger ist; ein drittes Kind würde jedoch überhaupt nicht in ihre Lebensplanung passen. Und dann ist da noch Freddys Vater (Siemen Rühaak hat Peter Prager ersetzt), der die Familie nach Berlin begleitet und ganz andere Sorgen hat.

Kein Wunder, dass hinter den Bildern eine große Ernsthaftigkeit spürbar ist. Die große Kunst von Wnuks Drehbuch liegt in der jederzeit schlüssigen Kombination mit lustigen Momenten, die es zuhauf gibt und die stets dem Leben abgeschaut sind: mal winzig klein wie die Minischultüten am ersten Tag in der neuen Schule, mal so groß wie ein Kuschelboot im Wohnzimmer, Lichtreflexe auf den Wellen inklusive. Am witzigsten ist eine Szene, die vermutlich alle Eltern kennen, doch diesmal sind es keineswegs die Kinder, die ins höchst innige „Rumgedingse“ im Badezimmer platzen. Manchmal wechselt der Tonfall auch bloß mit Hilfe des Schnitts: Gerade noch hat Freddy wie schon im ersten Film ein intensives Vater/Tocher-Gespräch geführt, dann muss er sich ins eiskalte Wasser stürzen. Beide Filmkinder machen ihre Sache erneut ganz ausgezeichnet. Für die ganz jungen Mitglieder des Ensembles gilt das nicht minder, sodass die sehr natürlich wirkenden Kita-Szenen ein zuverlässiger Quell großer Heiterkeit sind.

Selbstredend ist Freddy nach wie vor ein Erzieher zum Verlieben; erst recht aus Sicht von Lara, die aber im Gegensatz zur ständig nörgelnden Kollegin Rita (Kübra Sekin) nicht ganz unbefangen ist. Als sie, offenbar durch die Rückkehr in ihren alten Kiez zusätzlich beseelt, ihren Gefühlen nach einem feuchtfröhlichen Abend freien Lauf lässt, hat der Kindergärtner ein weiteres Problem. Hinzu kommt der wesentlich rauere Umgangston in Kreuzberg. Mitunter liegen gar Handgreiflichkeiten in der Luft, weil die Eltern hier von anderem Schlag sind als in der Komfortzone Konstanz. Dank der diversen Besetzung des Kindergartenpersonals lassen sich zudem weitere Geschichten am Rande erzählen. Als die im Rollstuhl sitzende Rita beleidigt wird, geht Freddy ritterlich dazwischen. Andererseits hat Wnuk seine Rolle auch um die eine oder andere Schattenseite erweitert. Das kostet den Erzieher beispielsweise beim verletzenden Streit mit Juli ein paar Sympathiepunkte, macht ihn aber noch lebensnäher; zwischendurch wirkt der beruflich und privat scheinbar unverwüstliche Mann auch mal herzergreifend einsam. Der allmähliche Wandel einiger Figuren ist ohnehin ein weiteres Qualitätsmerkmal des Films; selbst die als Giftspritze eingeführte Schwiegermutter entpuppt sich als ganz patent.

Regie führte diesmal Esther Gronenborn („Ziemlich russische Freunde“), die schon bei ihren ebenfalls im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstandenen „Väter allein zu Hause“-Episoden gezeigt hat, wie gut sie die Genres Komödie und Drama miteinander kombinieren kann. Der wechselnde Tonfall spiegelt sich auch in der zunächst sehr munteren, aber zunehmend ernster werdenden Musik von Gert Wilden jr. wider. Für die Bildgestaltung war nun Yoliswa von Dallwitz verantwortlich, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass sich der Bodensee sehr überzeugend als Sehnsuchtort präsentieren darf; in dieser Hinsicht dürfte das Drehbuch des aus Konstanz stammenden Hauptdarstellers biografische Züge tragen. Im Frühjahr 2022 wird Teil drei gedreht.