Gänsebraten, Laternenumzüge und ein geteilter Soldatenmantel - das verbinden viele mit Sankt Martin (um 316-397 n. Chr.). Doch man kann sich auch auf dem europaweiten „Martinusweg“ auf die Spuren des berühmten Heiligen begeben.
Genauer gesagt gibt es sogar zwei Routen, die Szombathely, den Geburtsort Sankt Martins im heutigen Ungarn, mit seinem Grab in Tours in Frankreich verbinden. Seit 2005 ist die „Via Sancti Martini“ eine eingetragene Kulturstraße des Europarates. Die sogenannte Südroute verläuft von Ungarn über Slowenien, Kroatien, Italien, Frankreich nach Tours. Allerdings sei diese Route „sehr virtuell“, erklärt Achim Wicker, Geschäftsführer der Martinusgemeinschaft - einem Verein von Ehrenamtlichen, die zuständig für die Martinuswege in Deutschland sind. Es gebe zwar festgelegte Orte, aber kein festgelegtes Wegenetz, an dem sich Pilger orientieren könnten.
Auf Initiative des Bischofs der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, ist vor zehn Jahren dann die sogenannte „Mittelroute“ entstanden, die 2016 fertiggestellt wurde - ein insgesamt fast 3.000 Kilometer langes Wegenetz durch Ungarn, Österreich, Deutschland, Luxemburg und Belgien bis nach Frankreich. Dieses ist in Etappen eingeteilt und anhand von GPS-Daten oder teilweise auch Ausschilderungen begehbar.
Mittelroute verbindet Mainz, Worms und Trier
In Deutschland sind auf dieser Strecke Martinskirchen miteinander verbunden - und die drei Städte, in denen der Bischof Martin von Tours zu Lebzeiten zu Besuch war: Mainz, Worms und Trier. Hinzu kommen „Orte des Teilens“: soziale Projekte und Einrichtungen, die von den Pilgerinnen und Pilgern besucht werden können. Dazu gehören eine Wärmestube für Obdachlose in Augsburg oder ein Tafelladen für Bedürftige in Bruchsal.
Gemeinsam mit einer Pilgergruppe war Achim Wicker schon selbst etliche Kilometer auf dem Martinusweg unterwegs, wie er erzählt. Absoluter Höhepunkt sei der Besuch des Geburtsortes im ungarischen Szombathely gewesen, wo die Geburtskirche und ein kleines Museum über den heiligen Martin stehen.
Elfriede Simon aus dem bayerischen Frankenwald gehört zu den wenigen, die nicht nur eine der über hundert Etappen der Mittelroute gepilgert sind, sondern sich den gesamten Weg vorgenommen haben. Vier Jahre lang war sie mit ihrer Pilgerpartnerin Monika Schulz aus Bützow bei Rostock immer wieder einige Wochen lang auf dem Martinusweg unterwegs, bis sie in diesem Jahr Ende September ihr Ziel in Frankreich erreichten.
Ein Backstein als Souvenir
In Tours seien sie überschwänglich begrüßt worden - von den Schwestern der Martinsgesellschaft und mit einem Empfang im Rathaus. Besonders faszinierend war für die beiden Frauen, die Krypta mit dem Grab des Heiligen zu besuchen. Zur Erinnerung an ihre Pilgerreise erhielten sie einen Backstein aus der ursprünglichen Basilika St. Martin in Tours, die während der Französischen Revolution weitgehend zerstört worden war: „Eine schöne Erinnerung an unsere Reise - auch wenn der Stein auf dem Rückweg ganz schön schwer im Rucksack war.“
Elfriede Simon und Monika Schulz waren bereits auf dem Jakobsweg und auf anderen bekannten Pilgerrouten unterwegs. Der Martinusweg unterscheide sich sehr von anderen Wegen, sagt Simon, da man auf dem eher unbekannten Weg kaum weitere Pilger treffe. Auch die Übernachtungsmöglichkeiten müssten gut organisiert werden. „Man muss hartnäckig sein, um den Weg zu gehen“, erklärt die 71-Jährige. „Aber es lohnt sich.“
Wicker von der Martinusgemeinschaft ist überzeugt, dass Menschen auch heute noch von einem der wichtigsten Heiligen der katholischen Kirche und dem Begründer des abendländischen Mönchtums lernen können. Der heilige Martin sei schon damals ein Europäer gewesen, der Grenzen zwischen Ländern überwunden und Brücken geschlagen habe. Als Bischof habe er sich oft aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, um sich im Gebet auf Gott auszurichten. Dies könne den Pilgern, die ihm auf seinem Weg folgten, ein Vorbild sein.
Seit drei Wochen ist Elfriede Simon nun wieder zu Hause. Gerade ist sie dabei, Dutzende Postkarten zu schreiben, mit denen sie sich bei allen bedankt, die sie auf ihrer Pilgerreise so gastfreundlich aufgenommen haben. Und vielleicht ist es nicht ihre letzte Reise auf den Spuren des heiligen Martin gewesen. Am Ziel ihrer Reise, in Tours, habe sie einen Mann getroffen, der über die südliche Martins-Route von Ungarn gekommen sei: „Eigentlich“, sagt sie mit einem Lachen, „wäre dieser Weg auch nochmal eine eigene Pilgerreise wert.“