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Zuversichtsbrief, Woche 84
Biblische Fake News

Kaleb beruhigte das Volk, das sich bei Mose beklagte. Er sagte: „Wir werden auf jeden Fall losziehen und das Land in Besitz nehmen. Wir werden das ganz sicher schaffen!“ Aber die anderen Kundschafter, die mit ihm gegangen waren, erwiderten: „Wir können es mit diesem Volk nicht aufnehmen. Es ist doch viel stärker als wir.“ Dann verbreiteten sie unter den Israeliten Gerüchte über das Land, das sie erkundet hatten. Sie sagten: „Wir sind ja durch das Land gezogen, um es zu erkunden. Und wir müssen euch sagen: Es ist ein Land, das seine Bewohner frisst. Wir haben dort nur Menschen gesehen, die unfassbar groß sind. Es gibt dort sogar Anakiter – das sind Riesen, die von Riesen abstammen. In ihren Augen sind wir so klein wie Heuschrecken, und genauso haben wir uns auch gefühlt.“
Die ganze Gemeinde schrie laut auf und das Volk weinte in dieser Nacht. Die Israeliten rebellierten gegen Mose und Aaron. Die ganze Gemeinde beklagte sich bei ihnen: „Wir wären besser in Ägypten gestorben oder hier, in dieser Wüste! Wären wir doch nur tot!“

4. Mose 13,30?14,2 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe Mitreisende,

wenn etwas Großes und Neues bevorsteht, macht das gleichzeitig neugierig und unsicher. Große Aufgaben können entweder antreiben oder lähmen. Bei mir hängt es oft an der gegenwärtigen Gefühlslage, ob mich eine kommende Herausforderung eher hemmt oder beflügelt. Bin ich ohnehin gerade am Grübeln, so werde ich das, was vor mir liegt, auch eher vorsichtig betrachten, vielleicht sogar ängstlich. Bin ich gerade guter Dinge und ausgeruht, male ich mir das Kommende in schönen Farben und will gleich aufbrechen zu den neuen Ufern. In jedem Fall hinderlich ist es, wenn ich Menschen begegne, die mir von vornherein sagen, was ich mir vorgenommen habe, sei vollkommen aussichtslos. Solche Aussagen füttern meine eigenen Zweifel und die Angst vor dem Neuen und Unbekannten. Und ich muss zusätzlich – mindestens ebenso schlimm – gegen den Ärger über diejenigen ankämpfen, die mich so verunsichern.

Ich habe uns für heute eine biblische Geschichte ausgesucht, in der es um solche Angstmacher geht. Da die Geschichte sehr lang ist, habe ich hier nur einen Ausschnitt abgeschrieben und werde kurz zusammenfassen, was bisher geschah. Wer es nachlesen möchte, kann das in den Kapiteln 13 und 14 des 4. Buchs Mose tun. Das Volk Israel ist aus Ägypten geflohen und Mose hat am Sinai die Gebote Gottes für sein Volk erhalten. Nun sind sie an den Grenzen des Landes Kanaan angekommen, das Gott ihnen versprochen hat. Mose schickt nun zwölf Kundschafter los, die nachsehen sollen, ob das Land tatsächlich so fruchtbar ist, wie Gott es versprochen hat und alle es erhoffen. Sie sollen außerdem schauen, wie dicht es besiedelt und wie gut es befestigt ist, denn man wird um das Land kämpfen müssen.

Die Späher stellen fest, dass es sich tatsächlich um ein Land handelt, in dem Milch und Honig fließen. Sie berichten allerdings auch von mehreren Völkern und gut befestigten Städten im Land. An dieser Stelle beginnt unser Textabschnitt, in dem anscheinend zehn der zwölf Kundschafter anfangen, das anstehende Unterfangen so darzustellen, dass es den Israeliten schließlich als unmöglich erscheint. Zutiefst verunsichert wünschen sie sich zurück in die Gefangenschaft und sogar in den Tod. Dann versuchen Josua und Kaleb, gegen die Gerüchte anzugehen. Sie flehen das Volk an, ihnen zu glauben. Das Land sei wunderbar. Es sei das Risiko mehr als wert, und schließlich sei Gott auf ihrer Seite. Aber die Fake News haben die Israeliten bereits so stark verunsichert und aufgebracht, dass sie beschließen, lieber Josua und Kaleb zu steinigen, anstatt nach Kanaan zu ziehen. An dieser Stelle greift Gott selbst ein. Er beschließt, das gesamte Volk Israel zu vernichten und nur Mose übrig zu lassen. Mose bittet Gott, das Volk am Leben zu lassen, und aus dem Todesurteil wird eine vierzigjährige Irrfahrt durch die Wüste.

Abgesehen davon, dass ich es schwer ertrage, dass es in dieser Geschichte um einen Eroberungskrieg geht und dass Gott nur mit Mühe davon abzuhalten ist, sein erwähltes Volk selbst von einer Pest dahinraffen zu lassen, macht mir diese Geschichte doch auch Mut. Zum einen sagt sie mir: Fake News und Gerüchte sind nichts Neues. Es gab sie bereits zu biblischer Zeit. Außerdem erklärt die Geschichte auch, woher Falschmeldungen sehr häufig stammen: Sie entspringen der Angst. Den Kundschaftern ist klar, dass die Zukunft gefährlich ist. Darum blähen sie die Angst in sich und anderen so sehr auf, dass die Zukunft keine Chance mehr hat, nur noch die Sehnsucht nach der Vergangenheit, sei die auch noch so schrecklich gewesen.

Wenn ich von der Dramatik absehe, dass Gott am liebsten alle umbringen wollte, die nicht ihm, sondern den Angstmachern glaubten, freue ich mich doch daran, dass in Gottes Augen Fake News eine verderbliche Angelegenheit sind. Bei allem Verständnis für die Verunsicherung durch eine unsichere Zukunft: Wer Verschwörungen erdichtet, wer andere verunsichern will, weil er selbst niemandem mehr traut, schadet anderen, schadet der Zukunft selbst. Wir haben zum Glück kein Land zu erobern, aber wir haben eine Pandemie zu besiegen, eine Klimakatastrophe zu verhindern und viele andere Aufgaben, die uns übergroß erscheinen. Wer uns sagt, das sei selbst mit Gottes Hilfe nicht möglich, steht – auch das ist die Botschaft dieser Geschichte – der Zukunft im Wege.

Die Wochenaufgabe lautet darum: Gehen Sie einer Ihrer kommenden Aufgaben erhobenen Hauptes entgegen! Wehren Sie sich gegen die Angstmacher! Bleiben Sie realistisch, und lassen Sie sich nicht einreden, Sie seien ohnehin nur so groß wie Heuschrecken! Freuen Sie sich lieber auf das, was Sie erreichen können!

Ich wünsche Ihnen mindestens einen guten Start, lieber zwei!

Ihr Frank Muchlinsky