Bundestagskuppel
©Paul Zinken/dpa
"Wichtig ist, dass wir eine stabile Regierung bekommen", sagt der EKD-Bevollmächtigte Martin Dutzmann zu den anstehenden Sondierungsgesprächen nach der Bundestagswahl.
Bundestagswahl
Kirchen sehen eine Stärkung der politischen Mitte
Das Ergebnis der Bundestagswahl stellt die Politik vor große Herausforderungen. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften blicken wesentlich gelassener auf die Zahlen. Sie sehen die Demokratie gestärkt und die Ränder geschwächt.

Die beiden großen Kirchen und der Zentralrat der Juden sehen im Ergebnis der Bundestagswahl vom Sonntag eine Stärkung der demokratischen Mitte. "Für mich ist wesentlich, dass es die befürchtete, noch stärkere Polarisierung nicht gegeben hat", sagte der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die demokratiefeindlichen Kräfte hätten keine Mehrheit erhalten, bei der AfD sei ein Abwärtstrend zu erkennen, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Die politischen Ränder sind geschwächt", sagte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten.

Prälat Dutzmann, der die Interessen der EKD in Berlin und Brüssel vertritt, ergänzte aber auch: "Gleichwohl besorgt mich, dass jeder und jede zehnte Wahlberechtigte für eine Partei gestimmt hat, die sich nicht eindeutig genug von rassistischem und antisemitischem Gedankengut distanziert." Zur Länge der bevorstehenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche sagte Dutzmann, er wünsche sich, wie wahrscheinlich viele Bürgerinnen und Bürger, dass bis Ende dieses Jahres eine Regierung steht. "Aber es gilt auch: Qualität geht vor Schnelligkeit. Wichtig ist, dass wir eine stabile Regierung bekommen." Prälat Jüsten sagte, die Parteien in der Mitte hätten so viel Gemeinsames, dass eine Koalition in verschiedenen Konstellationen möglich sei.

Prälat Martin Dutzmann ist Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union.

Dutzmann sagte, deutlich sei, dass die neue Regierung dem Thema Klima mehr Aufmerksamkeit schenken werde. Nicht nur hätten die Grünen im Vergleich zu ihrem Wahlergebnis 2017 zugelegt. "Auch nahezu alle anderen Parteien haben die Bekämpfung des Klimawandels in ihrem Programm", sagte er. Dadurch sei bei dem Thema "eine ganz neue Energie freigesetzt worden". "Dahinter kann niemand mehr zurück", sagte Dutzmann.

Kampf gegen Extremismus verstärken

Schuster sieht die neue Bundesregierung in der Pflicht, den Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus zu verstärken. Im Wahlkampf habe die Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus eine untergeordnete Rolle gespielt, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden. "Umso mehr gilt für die neue Bundesregierung - unabhängig von ihrer Zusammensetzung - sich schnell dieser Herausforderung anzunehmen", ergänzte er.

Dem vorläufigen Ergebnis der Bundestagswahl zufolge ist die SPD stärkste Kraft im neu gewählten Bundestag, knapp vor den Unionsparteien. Die AfD bekam weniger Stimmen als die Grünen und die FDP, ihr Anteil sank auf 10,3 Prozent im Vergleich zu 12,6 Prozent vor vier Jahren. Der Linkspartei gelang knapp der Einzug ins Parlament.