Zum Ende des Berufslebens nochmal "etwas richtig Tolles machen": Diesen Traum erfüllt sich Barbara Franke nun. Seit 31 Jahren ist die Theologin Gemeindepfarrerin in München, zuletzt an der Lutherkirche im Münchner Stadtteil Giesing. Nun ist sie von der Isar an die Seine gezogen und startet am 1. September ihre letzten sechs Dienstjahre als Pfarrerin an der deutschen evangelischen Gemeinde in Paris.
Die französische Hauptstadt ist für die Seelsorgerin kein Neuland. Schon in den 90er-Jahren organisierte sie die Partnerschaft zwischen dem Dekanat München und den Pariser Gemeinden mit. "Ich war Pfarrerin an Sankt Markus, wir hatten die Partnergemeinde Saint Marc bei Paris - deswegen war ich jedes zweite Jahr in Paris und habe es sehr genossen, so oft in dieser tollen Stadt zu sein", berichtet Franke.
Schon im Dezember 2019 hatte sich Barbara Franke bei der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) um die Pariser Stelle beworben - unterstützt von Mann und Tochter, die jedoch in München bleiben und nur besuchshalber nach Paris fahren werden.
Vom Team zur Solistin
"Meine Familie hat mich ermutigt, mich zu bewerben, weil sie einfach wissen, wie sehr ich Paris liebe", sagt Franke. Pandemiebedingt wurde das Besetzungsverfahren dreimal verschoben. Schließlich brachte ein Online-Probegottesdienst, der aus dem Wohnzimmer der Pfarrerin zur Gemeinde nach Paris übertragen wurde, den Erfolg.
Dass ihre neuen Gemeindemitglieder viel Wert auf sorgfältig vorbereitete Gottesdienste legen, wusste Barbara Franke vorher schon. Sie wird künftig viel Zeit darauf verwenden müssen, denn anders als in den großen Münchner Gemeinden hat sie in Paris keine Pfarrerkollegen. "Das wird überhaupt für mich eine Umstellung sein, dass ich für so viele Sachen gleichzeitig zuständig bin", sagt die künftige Solistin.
Mehr französischsprachige Angebote
Deshalb sei sie froh, in Paris einen aktiven Kirchenvorstand sowie verschiedene Chöre und eine renommierte Orgeldozentin für die Kirchenmusik an ihrer Seite zu haben. Franke hat selbst jahrelang Gesangsunterricht genommen und in einem Vokalensemble gesungen. Den hohen Stellenwert klassischer Kirchenmusik in der 1894 eingeweihten Pariser Christuskirche schätzt sie deshalb sehr.
Sprachliche Probleme wird es auch nicht geben. Franke hat ihre "sehr solide Basis" im Französischen mithilfe eines Sprachkurses von der EKD nochmal aufgepeppt. So gerüstet will sie die französischsprachigen Angebote der Gemeinde erweitern, um noch mehr Menschen zu erreichen. Zwar sei die Grundsprache in der Christuskirche Deutsch, viele Mitglieder hätten jedoch französischsprachige Partner - "auch die sollen aktiv am Gemeindeleben teilnehmen können", sagt Franke.
Lange Vakanz geht zuende
Überhaupt sei die Gemeinde eine bunte Mischung aus Menschen, die schon lange in Frankreich leben und sogenannten "Expats", also Berufstätigen, die von ihren Firmen für eine bestimmte Zeit nach Paris beordert werden. Gerade diese Gruppe suche oft besonders Anschluss an eine deutsche Gemeinde, um dort auch typische Traditionen zu pflegen - das gemeinsame Plätzchenbacken und Schmücken von Adventskränze sind da tatsächlich gefragt.
Allgemein sei die Sehnsucht nach einer eigenen Pfarrerin in der Pariser Gemeinde groß. Schon seit Juli 2020 sei die Stelle vakant, dazu kam die Isolation durch die Corona-Pandemie. "Das war eine schwere Zeit für die Gemeinde, denn Frankreich war ja sehr stark betroffen", sagt Franke.
Moulin Rouge ums Eck
Erst im Februar 2021 durfte ein pensionierter Pfarrer aus London zur Vakanzvertretung einreisen. Deshalb sehnten sich die Menschen jetzt besonders nach Kontakt und hofften, dass das Gemeindeleben bald wieder Fahrt aufnimmt. "Die Erwartungen an mich sind hoch", weiß Barbara Franke: "Alle wünschen sich, dass die neue Pfarrerin sich persönlich um ihre Gruppe, ihren Kreis kümmert."
Die Münchnerin freut sich darauf, mitten im neunten Arrondissement, im Herzen von Paris zu leben. Kirche und Pfarrhaus liegen in der Nähe des legendären Varietés Moulin Rouge. Eine Anekdote gefällt der Pfarrerin besonders: "Der gleiche Architekt, der das Moulin Rouge gebaut hat, hat auch die Christuskirche geplant - ob das irgendwie abfärbt?", lacht Franke.
Die sechs Jahre an der Rue Blanche will sie jedenfalls ausnutzen. "Ich möchte meine freie Zeit eigentlich nicht in Deutschland verbringen, sondern dazu nutzen, Paris und Frankreich näher zu erkunden", sagt die Theologin. Besuch aus der Heimat ist natürlich erwünscht - am liebsten mit einem Instrument oder einer Predigt im Gepäck.