Finger zeigt auf den schmaleren Weg im Wald
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Zuversichtsbrief - Woche 79
Lob der Improvisation

Auf seinem Weg nach Jerusalem zog Jesus auch durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Er kam in ein Dorf. Dort begegneten ihm zehn Männer, die an Aussatz erkrankt waren. Sie blieben in einiger Entfernung stehen und riefen laut: "Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!" Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: "Geht und zeigt euch den Priestern!" Noch während sie unterwegs waren, wurden sie geheilt und rein. Einer von ihnen kehrte wieder zurück, als er merkte, dass er geheilt war. Er lobte Gott mit lauter Stimme, warf sich vor Jesus zu Boden und dankte ihm. Und dieser Mann war ein Samariter! Da fragte Jesus ihn: "Sind nicht zehn Männer rein geworden? Wo sind denn die anderen neun? Ist sonst keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu geben – nur dieser Fremde hier?" Und Jesus sagte zu ihm: "Steh auf, du kannst gehen! Dein Glaube hat dich gerettet."

Lukas 17,11?19 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe Menschen auf Umwegen,

Corona hat uns einiges gelehrt. Unter anderem lernen wir gerade besonders deutlich, dass Ziele, die man schon vor Augen glaubt, nicht unbedingt leicht zu erreichen sind. Entspannung in Sachen Pandemie kommt lediglich phasenweise und anscheinend niemals endgültig. Erst fehlen Impfmittel, dann Impfdosen, dann Impfwillige. Alle sind ständig gezwungen, neue Richtungen einzuschlagen, zu reagieren, Umwege zu machen. Dann kommen noch andere Katastrophen und unerwartete Wendungen hinzu, die uns zur Improvisation zwingen.

Man könnte nun mit Fug und Recht sagen, dass das Leben nun einmal genau so abläuft. Nichts verläuft schnurgerade, man muss sich ständig anpassen, muss Neues lernen und Alternativen finden. Letztlich ist es das, was unseren menschlichen Geist so kostbar macht: Wir sind ausgesprochen anpassungsfähig und erfinderisch. Theologisch könnte man sagen: Der Schöpfer hat uns mit seinem Geist zum Leben erweckt. Gott hat uns zu Ebenbildern gemacht. Darum sind wir schöpferisch begabt. Kunst ist ohne Umwege nicht denkbar. Musik wird durch Interpretationen und Improvisationen erst interessant.

Im Grunde genommen tun wir gerade das, was wir gut können: Wir biegen ab, wenn es geradeaus nicht weitergeht. Dass wir dabei nicht jedes Mal in Jubel ausbrechen, ist selbstverständlich. Umwege sind anstrengend, Ziele zu erreichen ist befriedigend. Man muss etwas schon gern tun, um es freiwillig möglichst lang zu machen. Und selbst wenn man gern mit dem Auto durch die Lande fährt, wird eine plötzliche Umleitung nur selten als willkommene Abwechslung empfunden. Wer ein Ziel dringend erreichen will, wird Verzögerungen und Umwege mit Ärger und Ungeduld quittieren.

Die biblische Geschichte für diese Woche habe ich gerade völlig neu anzuschauen gelernt. Zunächst einmal fiel mir die Überschrift auf, die die Basisbibel dieser Geschichte gegeben hat: "Der dankbare Samariter". Da dachte ich gleich an den barmherzigen Samariter und richtig: Wieder ist es ein Samariter, der hier ein gutes Beispiel dafür abgibt, wie man es richtig macht. Wieder ein "Fremder", der besser weiß als die eigenen Leute, was gut ist. Doch was genau macht der Mensch in dieser Geschichte denn richtig? Wenn man die Verse überfliegt, könnte man meinen, Lukas wolle uns vermitteln "Schaut her, Jesus will, dass man Gott dankbar ist für das Gute, das einem geschieht". Dieser Aspekt ist der Geschichte sicherlich angemessen, denn Jesus stellt ja genau das als richtig dar. Wenn man die Geschichte jedoch zu einem schlichten "Sag schön Danke!" degradieren will, geht man meines Erachtens in eine falsche Richtung.

Schauen wir einmal genau hin: Die neun Geheilten tun genau das, was Jesus ihnen befohlen hat. Sie halten sich exakt an seine Anweisung. "Geht und zeigt euch den Priestern", lauteten seine Worte. Wenn die zehn Leute wieder als rein gelten wollen, müssen sie genau das tun. Die Priester können ihnen sozusagen Genesenen–Bescheinigungen ausstellen. Wer nach einer Zeit der Unreinheit wieder rein ist, muss das von den Priestern bestätigen lassen. Auf dem Weg, auf den Jesus sie geschickt hat, werden sie gesund. Als einer von ihnen die Heilung bemerkt, beschließt er, sich den Anweisungen Jesu und des Gesetzes zu widersetzen. Er legt einen Umweg ein. Er kehrt noch einmal zurück zu Jesus. Was aus den anderen neun Menschen wird, erfahren wir nicht. Es kann durchaus sein, dass sie, nachdem sie bei den Priestern vorstellig wurden, ebenfalls noch einmal zu Jesus kommen, um sich zu bedanken.

Was also genau lobt Jesus an dem Verhalten des "dankbaren Samariters"? Ich denke, er lobt seine Entscheidung, zu tun, was er für richtig hält – obwohl es seiner eigenen Anweisung widerspricht. Ich lese in dieser Geschichte neben dem Aufruf zur Dankbarkeit auch den zur Interpretation und zur Improvisation: "Wenn in deinem Leben Entscheidendes geschieht, geh nicht einfach weiter, sondern tu das, was in dem Moment richtig ist!"

Darum lautet meine Wochenaufgabe für Sie auch so: Gehen Sie an einem Punkt in dieser Woche nicht den Weg, den Sie eigentlich gehen wollten oder sollten, sondern tun Sie das, was Sie gerade für richtig halten. Widersetzen Sie sich aber nicht einfach aus Oppositionsdrang, sondern weichen Sie lediglich vom Weg ab, um einen kleinen Umweg zu machen. Oder Sie interpretieren meine Aufgabe und tun etwas anderes Gutes!

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.

Ihr Frank Muchlinsky

PS: In der letzten Woche habe ich Ihnen den Link zu unserem musikalischen Andachtsnachspiel geschickt. Hier ist der für diese Woche. Vielleicht gefällt Ihnen der so gut wie mir. Danke an Claudius Grigat fürs Aussuchen seit so vielen Wochen!