Wenn Claus Ebeling ansetzt, um einen biblischen Text auf Fränkisch vorzutragen, spürt man regelrecht, wie ihm das Herz aufgeht. "Im ganzn Land sollns dich oobeedn und dir Loblieder singa - ja, dei Noama soll allzeid schöi klinga", schmettert der evangelische Pfarrer in schönstem Mittelfränkisch und mit sanftem Timbre die Textzeile aus Psalm 66 vom Ambo aus durch die Lichtenauer Dreieinigkeitskirche. So also soll sie mal klingen, die "Fränkische Bibel".
Es ist ein wahres Großprojekt. Das Buch der Bücher zu übersetzen ist eine andere Hausnummer als der "Fränkische Psalter", das fränkische Gesangs- und Gebetsbuch, dessen zwei Bände Claus Ebeling zusammen mit anderen Aktiven des Arbeitskreises Mundart in der Kirche in den vergangenen Jahren herausgegeben hat. Rund 100 Autorinnen und Autoren haben sich nach dem Aufruf im April gemeldet und wollen mitmachen. Übersetzt werden sollen Teile des Alten und das ganze Neue Testament.
"Auf gar keinen Fall" soll die Bibel auf Fränkisch "ein Kuriosum" werden. Der verschriftlichte Dialekt soll lebensnah sein, aber nicht flapsig: "Alle am Projekt Beteiligten nehmen die Aufgabe sehr ernst", sagt Ebeling. Alle eine - egal ob sie nun Mittelfränkisch, Oberfränkisch, einen Rhöner Dialekt oder auch wie am Untermain sprechen - der Wunsch, die zentrale christliche Schrift in ihrer eigenen Mundart lesen und hören zu können, erläutert der evangelische Pfarrer: "So, dass es einem direkt zu Herzen geht."
Paulus ist ein echter Brocken
Dialekte erzeugen Emotionen - und schaffen Nähe. "Etwas Besseres kann der Bibel doch gar nicht passieren", sagt Ebeling. Schließlich seien große Teile ohnehin über Jahrhunderte erst mal mündlich weitergegeben worden, ehe man sie verschriftlicht habe. Eben diese Erzählungen - Epen, Hymnen und Lieder - seien beim Übertragen in den Dialekt "auch nicht so das Problem", weiß Ebeling aus Erfahrung. Schwieriger wird es mit komplexeren Schriftstücken: "Die Paulus-Briefe sind ein echter Brocken."
Die Schwierigkeiten insgesamt aber liegen im Detail. Alle Autorinnen und Autoren sollen in ihrem regionalen fränkischen Dialekt schreiben - einerseits so, dass er erkennbar bleibt, andererseits aber auch so, dass ihn jeder lesen kann. "Und zwar ohne Glossar, also extra Anweisung, wie man dies oder das auszusprechen hat", sagt Ebeling. Das Lesen der Franken-Bibel solle schließlich Freude bereiten, intuitiv funktionieren und nicht Tausende Fußnoten benötigen. Das aber sei "gar nicht so einfach".
Profis und Neulinge arbeiten zusammen
Denn auch wenn Dialekte wie das Fränkische oft funktionieren wie leichte Sprache - also mit kurzen Sätzen "und ohne Genitiv, dafür aber mit viel Dativ" -, seien sie "ernsthaft schon ganz anders" als die deutsche Hochsprache: "Satzbau und Wortwahl passen meistens nicht eins zu eins." Deshalb sei es für Nicht-Dialektsprecher auch kaum möglich, mitzumachen. "Wir hatten anfangs einen 16-Jährigen dabei, der von der Oma angemeldet wurde", sagt Ebeling: "Er konnte nur Hochdeutsch. Leider."
Trotzdem kann der Arbeitskreis Mundart in der Kirche auf einen soziologisch sehr breit angelegten Autorenkreis blicken: Zwischen Ende 20 und Mitte 80 reicht die Altersspanne, es sind Profi-Autoren aus der Mundart-Szene ebenso dabei wie absolute Neulinge. Männer und Frauen halten sich "gut die Waage" - und nur um die zehn Prozent sind "vom Fach", also Pfarrer und Theologen. Ökumenisch ist die Franken-Bibel sowieso, auch wenn als Arbeitsgrundlage die Luther-Übersetzung dienen soll.
Guter Lesefluss
Alle am Projekt Beteiligten arbeiteten ehrenamtlich - von den Autoren über die Lektoren bis hin zum Grafiker, sagt Pfarrer Ebeling: "Ich bin mal gespannt, ob wir es schaffen, unseren doch ambitionierten Zeitplan einzuhalten." Ende des Jahres sollen alle übersetzten Text vorliegen, dann beginnt die Arbeit der Lektoren. Anschließend wird gesetzt - und schließlich gedruckt. In rund zweieinhalb Jahren, also Weihnachten 2023, soll die Bibel auf Fränkisch dann in sämtlichen Buchhandlungen zu haben sein.
"Damit das Schreiben gerade den Neu-Einsteigern etwas leichter von der Hand geht, haben wir ein kleines Regelwerk erstellt", erläutert der Pfarrer. Im Prinzip haben die Projekt-Initiatoren darin nur das festgehalten, was im Arbeitskreis Mundart in der Kirche ohnehin seit Jahren gilt: Am besten keinerlei Sonderzeichen, die Schriftsprache wird nur dort verändert, wo es nötig ist, um den Lesefluss so leicht wie möglich zu halten. Aus "Stadt" wird also schlichtweg "Stadd" - und nicht etwa "Schdadd".
Aber auch wer des Fränkischen nicht so gut mächtig ist, kann sich an dem Bibel-Projekt beteiligen: Bebildert werden soll das Ganze schließlich mit Bibelszenen aus fränkischen Kirchen, Kapellen, Klöstern oder Tagungshäusern. Doch auch dieser Teilbereich bietet Fallstricke. "Wir suchen keine Bilder von Gebäuden", sagt Ebeling, der zwischenzeitlich einige Mails mit entsprechenden Fotografien erhalten hatte: "Schön waren die Bilder schon, aber wir suchen Bilder und Kunstwerke aus Kirchen!"