Hostienbäckerei Dresden ist ein alter Handwerkbetrieb
©epd-bild/Dietrich Flechtner
Leiterin Petra Kühn am Hostieneisen der Hostienbäckerei der Dresdner Diakonissenanstalt. Sie trotzt dem wirtschaftlichen Ruin mit neuen Ideen.
Hostienbäckerei in Covid-Not
Oblatenreste zu Käsekeksen
Der Abendmahl-Stopp in Kirchen wegen Corona gefährdet die Hostienbäckerei der Dresdner Diakonissenanstalt. Sie trotzt dem wirtschaftlichen Ruin mit neuen Ideen.
14.08.2021
epd
Tomas Gärtner

Die Prägung weist den Unterschied aus. Bei glatten handele es sich um schlichte Brothostien aus maschineller Großproduktion, erklärt Petra Kühn. Die mit Kruzifix oder Siegeslamm und diesem matten Glänzen indes verraten Handarbeit. So, wie sie seit 1866 in der Hostienbäckerei der Dresdner Diakonissenanstalt gepflegt wird.

Leiterin Petra Kühn, 54 Jahre alt, gelernte Krankenschwester mit pädagogischer Zusatzqualifikation, vermengt etwas mehr als ein Liter kaltes Wasser mit einem Kilogramm Weizenmehl. Mehr als diese zwei Zutaten dürfen in eine Hostie nicht hinein. Eine Regel, die seit über 1.200 Jahren in den westlichen Kirchen gilt.

Mit einer Schöpfkelle setzt Petra Kühn einen Klecks des dünnflüssigen Teigs in die Mitte des runden Hostieneisens. Dann senkt sie per Hebel das auf 140 Grad erhitzte Oberteil herab. Ein Zischen ertönt, wird leiser, bis es ganz verstummt. Sachter Waffelduft verbreitet sich. Still bäckt der Teig zwei Minuten. Dann öffnet sie die Maschine. Auf der runden Platte, etwa so groß wie ein Kuchen, reihen sich 69 verzierte Hostien aneinander. Eine mit aufgeprägtem Christusmonogramm ist ein wenig größer - die Schauhostie, die der Pfarrer während der Abendmahlsliturgie hochzeigt.

Georg Schudrawitz stanzt Hostien mit einer alten Stanze aus.

Eine Nacht lang müssen die großen Scheiben in einem extra Raum bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit lagern. „Sonst würden sie beim Stanzen zerbröseln“, erklärt Petra Kühn. Georg Schudrowitz platziert die Platte auf einer alten gusseisernen Maschine, montiert auf einen Holztisch. Sacht drückt sein Fuß ein abgewetztes Pedal, durch einen dicken Draht mit dem Oberteil verbunden, das sich niedersenkt und eine Hostie ausstanzt. 68 Mal wiederholt er das. Mechanik ohne Maschinenlärm. „Ganz meditativ“, meint Petra Kühn.

Die Schauhostie stanzt sie mit einem Ringeisen aus, das einem großen Stempel ähnelt. Trocknen müssen die Oblaten in Plastikkörben, ehe Petra Kühn sie in Reihen in einen Karton schichtet, genau abgezählt. 500 die kleine, 1.000 die große Packung. Die werden dann von Dresden aus bundesweit an Kirchgemeinden und Einrichtungen geschickt.

Auf etwa 800.000 Stück pro Jahr hatten sie es zuletzt durch geduldige Werbung gebracht. Bis Corona ausbrach und kein Abendmahl mehr in den Kirchen gefeiert wurde. „2020 haben wir nur noch 300.000 produziert“, berichtet Petra Kühn. Sie, die zwei Mitarbeiter und die Mitarbeiterin, alle aus einer geschützten Werkstatt für Menschen mit Einschränkungen, mussten in Kurzarbeit.

Mit Ideen Corona-Not trotzen

„Wir haben überlegt, wie wir uns trotzdem wirtschaftlich am Leben halten könnten“, sagt sie. Zuvor schon hatten sie aus Resten von Altarkerzen neue Kerzen gegossen. Tom Brietenhagen flicht nun auch schmale Papierbänder zu kleinen Fröbelsternen, faltet Sterne in anderen Formen oder stanzt Engel aus Pergamentpapier aus. Mit dicker Nadel zieht die gehörlose Carola Schmiedt farbige Wollfäden über eine Pappe. Daraus werden Glückwunschkarten. Petra Kühn brennt Sterne aus Keramik.

Nebenprodukte: Papierbänder, die zu Fröbelsterne gefaltet worden sind.

Noch etwas Besonderes zeigt sie: Was von den Hostienplatten nach dem Stanzen übrigbleibt, schreddern sie und backen Kekse daraus. Weil seit Corona vor allem Schauhostien gefragt sind, fällt mehr ab als zuvor. So konnten sie ihr Keks-Sortiment erweitern. Jetzt gibt es außer welchen mit Marmeladenklecks oder Hafer auch herzhafte Käsekekse.

"Volle Breite unserer Talente eingesetzt"

Sie haben Mund-Nase-Bedeckungen in grün-blau mit dem Logo der Diakonissenanstalt genäht, als die noch aus Stoff bestehen durften. Die Musterkollektion, die ihnen ein Raumausstatter überließ, haben sie in Taschen für Weinflaschen verwandelt. Die Bändchen dazu auf einer uralten Kordelmaschine mit Handkurbel geflochten.

„Auffangen können haben wir den Rückgang damit nicht“, sagt Petra Kühn. Nun hofft sie, dass die Kirchgemeinden Kreativität für ein Abendmahl unter Hygienebedingungen entwickeln. „Wir haben uns ja auch etwas Neues ausgedacht und die volle Breite unserer Talente eingesetzt, um diesem wirtschaftlichen Einbruch nicht tatenlos zuzusehen.“