Weimar (epd). Das Straßen-Radrennen „Deutschland Tour“ sorgt wegen der Streckenführung durch die KZ-Gedenkstätte Buchenwald für Empörung. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) forderte am Mittwoch eine Verlegung des Tourabschnitts am Ettersberg bei Weimar. „Die Route des Radrennens muss geändert werden“, erklärte Maier auf Twitter: „Die 'Blutstraße' ist kein Ort für eine Sportveranstaltung.“ Auch der Zentralrat der Juden und die Gedenkstätte kritisierten die Verantwortlichen scharf.
„Das Event geht über die Blutstraße vorbei an Massengräbern und Mahnmal“, zitiert „Bild“ (Online, Mittwoch) Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner. Die Zeitung hatte zuerst über den Fall berichtet. Die Gedenkstätte sei nicht in die Planungen einbezogen worden. „Bei der Planung der Strecke haben sowohl Verantwortliche der Stadt Weimar als auch der Veranstalter jegliches Gespür für die Geschichte vermissen lassen“, zitiert „Bild“ den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Eine Radtour dort entlang zu führen, sei pietätlos gegenüber den Opfern.
Gedenkstättensprecher Rikola-Gunnar Lüttgenau sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Gedenkstätte habe erst im Juli von der Streckenplanung erfahren, als die Anrainer darüber informiert wurden, dass die Straße für den Besucherverkehr gesperrt werde. Einer Bitte um Verlegung der Strecke sei der Veranstalter nicht nachgekommen. Die zunächst auf dem Parkplatz der Gedenkstätte geplante Bergwertung sei jedoch an einen anderen Ort verlegt worden.
Das Radrennen soll vom 26. bis 29. August von Stralsund nach Nürnberg, die zweite Etappe über Weimar führen. Die Gedenkstätte Buchenwald liegt auf dem Ettersberg bei Weimar. Dort ließ die SS ab 1937 ein Konzentrationslager errichten. Bis zur Befreiung 1945 waren im KZ Buchenwald und seinen 139 Außenlagern insgesamt knapp 280.000 Menschen inhaftiert, von denen mehr als 56.000 Menschen ums Leben kamen.
Es könne durchaus angemessene Formen der Auseinandersetzung mit der Geschichte von Buchenwald auch im Rahmen sportlicher Veranstaltungen vor Ort geben, sagte Lüttgenau dem epd. Dazu müssten jedoch vorher Gespräche geführt werden, betonte der Sprecher der Gedenkstätte: „Das hat nicht stattgefunden.“
Die Geschichte des Konzentrationslagers habe auch Bezüge zum Radsport. Ein internationales Deutschland-Radrennen habe im Jahr der Errichtung des Konzentrationslagers 1937 auch durch Weimar geführt, berichtete Lüttgenau. Im KZ Buchenwald seien unter anderem belgische und französische Radprofis inhaftiert gewesen und zum Teil ums Leben gekommen. Besonders tragisch sei der Fall eines belgischen Radprofis, der bei der Befreiung nur noch 35 Kilogramm gewogen habe und kurz darauf in Belgien gestorben sei.
All dies sei bei der bisherigen Planung nicht in Betracht gezogen worden, sagte Lüttgenau. Die Gedenkstätte werde nun selbst recherchierte Beiträge zum Thema auf ihren Kanälen veröffentlichen. Mit dem Tour-Veranstalter sei vereinbart, diese dann auch auf dessen Kanälen weiterzuverbreiten. Inzwischen gebe es „recht konstruktive Gespräche“, twitterte die Gedenkstätte am Mittwoch.