Entscheidungshilfe
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Zuversichtsbrief, Woche 75
Entscheidungshilfe
Entscheidungen dem Schicksal oder gar Gott zu überlassen, ist eine bequeme Angelegenheit. Frank Muchlinksy findet das nur in manchen Fällen nachvollziehbar. Sein aktueller Zuversichtsbrief gibt Tipps fürs verantwortungsvolle Entscheiden.

Der Knecht nahm zehn Kamele seines Herrn und packte kostbare Geschenke ein. Dann machte er sich auf den Weg und reiste nach Mesopotamien zum Wohnort Nahors. Am Brunnen vor der Stadt ließ er die Kamele lagern. Es war gegen Abend, zu der Zeit, wenn die Frauen zum Wasserholen herauskommen. Der Knecht betete: "Herr, Gott meines Herrn Abraham! Lass mich heute Erfolg haben, und zeig, dass du meinen Herrn Abraham liebst! Während ich hier am Brunnen stehe, kommen die jungen Frauen zum Wasserholen aus der Stadt. Ich werde eines der Mädchen bitten, mir ihren Krug zum Trinken zu reichen: 'Reich mir doch deinen Krug zum Trinken!' Wenn sie sagt: 'Trink! Auch deinen Kamelen will ich Wasser geben' – dann ist sie es. Die hast du für deinen Knecht Isaak bestimmt. Daran erkenne ich, dass du meinen Herrn liebst."

1. Mose 24,10?14 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe entschieden Zuversichtliche,

mitten im Sommer habe ich Ihnen eine meiner liebsten Episoden aus der langen Familiensaga des 1. Buchs Mose mitgebracht. Leider ist selbst diese eine Episode so episch erzählt, dass ich mich nochmals für einen Ausschnitt entscheiden musste. Darum lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Sara und Abraham haben im hohen Alter und nach vielen Umwegen endlich einen gemeinsamen Sohn bekommen. Isaak ist mittlerweile ein erwachsener Mann und nachdem Sara gestorben ist, beschließt Abraham, seinen Sohn zu verheiraten. Dafür schickt er einen Diener in seine alte Heimat, denn nur von dort darf die Braut stammen. Abraham lässt seinen Diener schwören, dass er ihm die richtige Frau für Isaak mitbringen wird, dann stattet der sich mit einem Haufen Geschenke und reichlich Kamelen aus und zieht los nach Mesopotamien.

Der Weg von Kanaan nach Mesopotamien dauert Wochen, vielleicht Monate. Der Diener hat also viel Zeit, sich zu überlegen, wie er vorgehen will bei der Suche nach der richtigen Frau für den Sohn seines Herren. Schließlich gelangt er zum Wohnort Nahors, einer der Brüder von Abraham. Dort angekommen, bleibt er zunächst vor der Stadt am Brunnen. Die Gelegenheit, ein paar junge Frauen in Augenschein zu nehmen, ist günstig. Da es früher Abend ist, kommen sie aus der Stadt zum Brunnen und holen dort Wasser.

Und nun macht der Diener etwas, das Sie vielleicht selbst kennen: Er bitte um eine Entscheidungshilfe. "Die Richtige ist die, die nicht nur mir etwas zu trinken gibt, sondern auch gleich noch meinen Kamelen", sagt er im Gebet. An dieser Stelle endet unser Ausschnitt für diese Woche, aber die Geschichte geht weiter. Anscheinend spielt Gott mit, denn gleich die erste Frau, die der Diener anspricht, gibt ihm und den Kamelen Wasser. Es ist Rebekka, eine Enkelin Nahors. Der Diener beschenkt sie sogleich und man geht zu ihrem Vater nach Hause. Dort erzählt der Diener von seinem Auftrag und dem untrüglichen Zeichen, dass Rebekka und Isaak zusammengehören. Ihr Vater will sie nun aber ungern ziehen lassen. Schließlich wird tatsächlich Rebekka selbst gefragt, ob sie mit dem Diener zu Isaak reisen will, und sie entscheidet sich mitzukommen.

Entscheidungen dem Zufall oder dem Schicksal oder gar Gott zu überlassen, ist eine bequeme Angelegenheit. Auf diese Weise kann man mindestens einen Teil der Verantwortung abgeben, die man trägt. Es ist verständlich, dass Abrahams Diener die Hilfe Gottes in Anspruch nehmen möchte. Abraham hat ihm eine extrem wichtige Aufgabe erteilt. Sollte mit der Ehe zwischen Isaak und Rebekka etwas schiefgehen, könnte es ihm angelastet werden. Wenn er aber sagen kann, dass es im Grunde genommen Gottes Entscheidung war, ist er aus dem Schneider.

Ich verstehe solche Schlupfloch-Versuche. Gerade wenn man sich die Verantwortung für etwas nicht selbst ausgesucht hat, ist es nachvollziehbar, wenn man sich der Bürde wieder entledigen möchte. Wenn es allerdings um Verantwortungen geht, die man sehr wohl selbst tragen kann, sollte man auch das Rückgrat haben, eine Entscheidung selbst zu treffen. Es gibt derzeit eine Tendenz, sich vor der eigenen Verantwortung zu drücken, die schlimme Folgen haben kann: Sei es die "Impfmüdigkeit" oder die Angewohnheit, die Schuld für das eigene Ungemach grundsätzlich bei "der Politik" zu suchen, auf jeden Fall aber bei jemand anderem. Eine ähnliche Haltung erkenne ich, wenn man Entscheidungen nicht selbst trifft, sondern sie abgibt. Wie gesagt, ich kann den Wunsch dazu gut verstehen. Wir tragen alle viel Verantwortung in unserem Leben, und irgendwie wird die Last immer größer. Mittlerweile wird uns bewusst, dass unser eigenes Verhalten Auswirkungen auf einen ganzen Planeten hat. Da hilft es, wenn man die eine oder andere Entscheidung delegieren kann.

Es hilft, wenn man übt, bewusst Entscheidungen selbst zu treffen. Immerhin haben wir das große Glück, das überhaupt zu können. Und wie bei vielen Übungen ist es sinnvoll, auch hier im Kleinen anzufangen. Darum lautet die Wochenaufgabe: Üben Sie bewusstes Entscheiden! Lassen Sie dem Zufall für eine Weile weniger Raum. Essen Sie morgens nicht, was Ihnen als Erstes ins Auge fällt, wenn Sie den Kühlschrank öffnen, sondern schauen Sie ein wenig länger hin, welche Möglichkeiten Sie haben, und entscheiden Sie dann ganz bewusst. Machen Sie sich bei Ihrem nächsten Einkauf einen Spaß daraus, bei einem Produkt, das Sie kaufen möchten, möglichst viele Alternativen zu entdecken. Entscheiden Sie sich für das Produkt, das in diesem Moment genau das Richtige ist! Nach solchen Vorübungen können Sie sich an eine wichtige Entscheidung machen, die Sie vielleicht schon eine Weile vor sich hergeschoben haben. Nehmen Sie sich Zeit, die Konsequenzen zu bedenken, das Für und Wider für die einzelnen Optionen! Dann treffen Sie eine Entscheidung, indem Sie sich sagen: "Ich werde dazu stehen, dass ich heute genau so entschieden habe." Oder aber Sie entscheiden sich ganz bewusst dafür, in dieser Woche keine Aufgabe erfüllen zu wollen.

So oder so wünsche ich Ihnen eine gute Woche.

Ihr Frank Muchlinsky