Bonn (epd). Im Ausland wächst offenbar die Sorge über eine Zunahme von Populismus und Extremismus in Deutschland. Diese Entwicklung wird als eines der größten Risiken für das Land wahrgenommen, wie aus der Studie „Außenblick - Internationale Perspektiven auf Deutschland in Zeiten von Corona“ hervorgeht, die am Donnerstag in Bonn digital vorgestellt wurde. Für die Studie wurden über 600 Deutschland-Kenner aus 37 Ländern befragt.
Die Wurzeln für extremistische Tendenzen und Ressentiments werden der Studie zufolge vor allem auf bestehende soziale Spannungen und tieferliegende Sorgen wie den Verlust des Arbeitsplatzes zurückgeführt. Mit einer eigenen Identitätsfindung tue sich Deutschland immer noch schwer, hieß es.
Zwar werde Deutschland nicht als rassistisches Land wahrgenommen, betonte der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert. „Aber es gibt einzelne Stimmen, die sagen, sie fühlen sich nicht mehr so aufgenommen wie früher.“ Hier müssten alle wachsam sein, dass dieser Trend nicht stärker werde.
Kritisch ist der Blick auf Deutschland auch bei den Themen digitale Infrastruktur und Umweltschutz. Hier attestierten die an der Studie Teilnehmenden der Bundesrepublik eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Deutschlands Industrie sei bislang „weder innovativ noch grün genug“, so der Tenor.
Andererseits ist das Bild Deutschlands in der Wahrnehmung vieler der in der Studie Befragten eng mit der Stärke der deutschen Wirtschaft verbunden. Deutschland, so die Erwartung, müsse seine Innovationen stärken und zugleich „seine Bürokratie zähmen“.
Das politische System Deutschlands findet als „stabile Demokratie mit Vorbildwirkung“ unterdessen weltweit ungebrochenen Respekt. Vor dem Hintergrund weltweiter Auswüchse nationalistischer Tendenzen hebe sich Deutschland „trotz des auch hier gegebenen Drucks aus dem rechten Lager“ weiter positiv ab, heißt es in der Studie.
Sowohl aus amerikanischer als auch aus afrikanischer und asiatischer Perspektive besteht das Bild einer Politik auf Basis robuster demokratischer Prinzipien mit einem „institutionell fest verankerten“ Zusammenspiel der verschiedenen Interessengruppen: „Deutschland ist ein Rechtsstaat, dem ich vertraue“, lautet der Tenor. Damit verbunden sei die Hoffnung, dass die Bundesrepublik auch künftig eine zentrale Rolle beim Schutz von Menschenrechten spielt.
Großen Respekt erhält Deutschland auch für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus, mit der Politik und Gesellschaft ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen hätten. Als große Leistung werden vor allem die Wiedervereinigung und die Aufnahme Geflüchteter 2015 und 2016 wahrgenommen.
Mit seiner Kolonialgeschichte hat sich Deutschland aus Sicht der Befragten dagegen noch nicht genug auseinandergesetzt. Demnach hat Deutschland „historische Gedächtnislücken“. Mit Blick auf die Restitutionspolitik wird kritisiert, man höre immer noch eine starke Positionierung gegen die Rückgabe von Kunstobjekten heraus mit der Begründung, dass es in Afrika keine passenden Möglichkeiten gebe, diese Kunstwerke auszustellen und zu bewahren.
Mit Blick auf Deutschlands Rolle in der Welt erwarten die Teilnehmer der Umfrage, dass sich das Land bei Forschung, Wissenschaft, Kunst und Kultur noch intensiver austausche. Gleichzeitig wurden die bestehenden weltweiten Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen hervorgehoben.
Die Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und des Goethe-Instituts, die für die Befragung auf Experten aus ihren Partnernetzwerken im Ausland zurückgriffen.