Grauer Himmel, Wolkenbrüche und nasse Schuhe. "Wir sind halbtrocken - wie guter Wein", sagt der rheinische Präses Thorsten Latzel. Eingepackt in blauer Regenjacke und dunkler Regenhose, mit zwei Getränkeflaschen am E-Bike und Navi am Lenker wagt er sich auf seine "Sommertour der Hoffnung". In acht Tagen will der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland von Saarbrücken nach Wesel 600 Kilometer fahren, 40 Gemeinden besuchen und ihre Geschichten hören. Erster Etappengegner: der Regen.
Die Idee zur Tour durch das Gebiet seiner Landeskirche hatte Latzel erst vor sechs Wochen. "Vieles könnte schief gehen - wie im Leben. Alles ist unberechenbar", sagt er. Unfälle seien möglich, ebenso, dass die Muskeln nicht mehr mitmachten. Davon bleibt die feste Tourengruppe um Latzel, Kameramann Marcel Kuß und den im Auto vorfahrenden Tourmanager Christian Brand vorerst verschont. Nur das Navi führt dazu, dass der Theologe immer mal wieder stoppen und in verschiedene Richtungen anfahren muss, bis die Ortung wieder klappt. "Das Navi war immer anderer Meinung als ich", berichtet er.
Hoffnungsgeschichten am Weg
Er wolle erst einmal ganz viel entdecken, betont Latzel. Die Menschen sollten ihm ihre Hoffnungsgeschichten erzählen, die er dann wiederum weitergeben könne. Der erste Berichterstatter ist Pfarrer Jörg Metzinger von der Kirchengemeinde Schafbrücke. Der hat jedoch gleich drei Hoffnungsgeschichten vorbereitet: Die Gemeinde hat knapp 1.000 Gemeindemitglieder, von denen zu Vor-Corona-Zeiten durchschnittlich 65 Menschen in den Gottesdienst kamen. Es gibt den neuen virtuellen Erprobungsraum Lorenz*/Space, um Menschen im Netz zu erreichen. Und schließlich erzählt Metzinger seine persönliche Geschichte als Herztransplantierter. Vor allem von letzterer wird Präses Latzel immer wieder berichten.
Rund zwei Jahre konnte Metzinger nicht für seine Gemeinde da sein, auf der Heidelberger Intensivstation habe er den Warterekord auf ein Herz mit über 400 Tagen gebrochen, betont der Pfarrer. Währenddessen stärkte ihm seine Gemeinde den Rücken, machte weiter, ging "stärker als vorher" aus dieser Zeit hervor und habe ihre Unabhängigkeit auch gegenüber der Landeskirche verteidigt. Neben der Gemeinde und seiner Familie hätten ihn auch die Pflegekräfte getragen und seien zu einer Art großen Familie geworden. "Dass ich da in meiner Schwäche so getragen wurde, ist für mich auch eine Erfahrung, die in der Art neu war", betont Metzinger.
Tierische Wanderungen
Neue Erfahrungen haben auch 54 Kinder der Kita Buntes Leben in Sulzbach-Hühnerfeld gesammelt. Sie dürfen sich um zehn Kita-eigene Hühner kümmern. Dem Präses berichten die Kinder, wie sie den Stall reinigen und wie sie mit den Tieren umgehen. Er fragt sie auch nach ihren Berufswünschen. Als der Wunsch "Ballerina" fällt, geht Latzel in Tänzerpose zur Vorbereitung einer Pirouette und sagt: "Ach, das wollte ich auch schon immer mal werden." In Sulzbach trifft er auch den einzigen Politiker auf seiner ersten Etappe: Bürgermeister Michael Adam (CDU). Der entschuldigt sich gleich: "Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich bin Katholik."
"Heute habe ich meinen richtigen Tiertag", sagt Latzel. Denn neben den Hühnern sieht er im Nationalpark Hunsrück-Hochwald Füchse und Rehe, bei Pfarrerin Wiltrud Bauer in der saarländischen Kirchengemeinde Landsweiler-Schiffweiler trifft er auf Lamas und Alpakas.
"Lamas und Alpakas sind Tiere, die vorsichtig sind, sehr behutsam. Sie gehen nicht mit Karacho auf Menschen zu", berichtet die Fachkraft für tiergestützte Interventionen. Sie macht mit den Tieren Wanderungen, nutzt sie für die Kinder- und Jugendarbeit, geht ins Demenzcafé oder auch ins Hospiz. Der Präses muss mit einem Alpaka durch einen Parcours gehen, später bekommt er noch von einem Lama einen Kuss auf die Stirn.
An jeder Station warten neben den Hoffnungsgeschichten auch Geschenke auf ihn. Darunter Bücher, Wegzehrung, eine selbst genähte Fahrradtasche und auch eine Lama- und Alpaka-Wundertüte mit Socken, Wollknäuel und Seife. "Damit Sie immer sauber bleiben", sagt Pfarrerin Bauer. Im Sonnenschein kann Latzel von den Alpakas und Lamas aufbrechen und verspricht, wiederzukommen.