Saarbrücken (epd). Der Journalist Heribert Prantl und der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte kritisieren, dass die Parlamente in Deutschland im Umgang mit der Corona-Pandemie ihrer Rolle nicht gerecht geworden seien. Das Parlament müsse das Zentrum sein für alle wesentlichen Entscheidungen, sagte Prantl am Dienstag in Saarbrücken auf einer Online-Tagung des saarländischen Landtags. Durch die regelmäßigen Gespräche der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin hätten sich Bundestag und Länderparlamente in den „Selbst-Lockdown“ begeben.
Das sei „desaströs“, urteilte Prantl. Korte teilte die Einschätzung. Die Landtage hätten sich zu spät und zu langsam in die Debatte eingeschaltet, sagte er. „Nicht nur die Bekämpfung des Virus ist das Ziel, auch der Weg dorthin“, erklärte Prantl. Die Demokratie habe unter den Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten gelitten. Er selbst habe bestimmte Maßnahmen für übertrieben und unverhältnismäßig gehalten. Sie sollten möglichst schnell wieder zurückgenommen werden. „Die Maske darf nicht zum Symbol für eine kommunikative Demokratie werden“, sagte der Journalist und Jurist.
Prantl, der bis 2019 Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ war, sprach sich für die Vorrangstellung des Grundgesetzes aus. „Freiheitsrechte sind keine Privilegien, sie sind einfach da und stehen allen zu.“ Sondergremien für mögliche künftige Krisen lehnte er ab. "Ich möchte nicht dauernd in einem Ausnahmezustand leben.
Die Corona-Krise sei einmalig, das Virus werde sogar die Bundestagswahl entscheiden, sagte Korte von der Uni Duisburg-Essen. Aus der Sehnsucht nach Sicherheit hätten sich die Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen 16 Monaten einsichtsvoll verhalten und alle Anordnungen „staatlichen, schützenden Regeln“ befolgt.
Doch dieses „betreute Regieren“ müsse durch Erklärungen, Begründungen und Rechtfertigungen ergänzt werden. Denn die Versuchung des Autoritären sei groß. Aus Umfragen sei erkennbar, sagte der Wahlforscher Korte: „Die Mitte wird erkennbar breiter, nicht die Ränder.“ Positiv sei, dass die Bürger miterleben konnten, wie Politik funktioniert. Auch die Wertschätzung der Freiheit habe zugenommen, „weil man sie uns zum ersten Mal genommen hat“.