Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Matthäus 28,16?20 in der Übersetzung der Lutherbibel von 2017, hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe Leute unter freiem Himmel,
heute bekommen Sie von mir den Predigttext für Sonntag bereits am Freitag zugeschickt. Der Text, der für diese Woche in der Perikopenordnung steht, ist einfach zu schön, als dass ich ihn im Zuversichtsbrief übergehen könnte. Lesen Sie ruhig weiter und gehen Sie trotzdem am Sonntag in den Gottesdienst! Ich bin sicher, dass man von diesen Versen kaum genug bekommen kann.
Es ist „Matthäi am Letzten!“. Allerdings nicht in der sprichwörtlichen Weise, sondern in der wortwörtlichen. Die Verse für heute sind die letzten im Matthäusevangelium. Es ist schon merkwürdig, dass diese schönen Sätze als Sprichwort zum Synonym für Ruin und Untergang stehen. Wenn für jemanden „Matthäi am Letzten“ ist, ist Rettung nicht mehr möglich. Und der Bibeltext? Der strotzt nur so von Aufbruch und Zuversicht. Der auferstandene Jesus bestellt die Seinen zu einem letzten Treffen auf einem Berg in Galiläa. Als die Anwesenden Jesus sehen, sind ihre Reaktionen ausgesprochen unterschiedlich. Ehrerbietung und auch Zweifel werden im Text erwähnt. Das ist kein Wunder, denn sie stehen, wie gesagt, dem Auferstandenen gegenüber. Ob Jesus auf die Einzelnen eingeht, wissen wir nicht, aber „er redete mit ihnen“.
Dann redet Jesus zu allen. Zunächst sagt er etwas über sich, anschließend gibt er ihnen einen Auftrag und ganz zum Schluss eine Verheißung. Diese drei Teile der kurzen Rede Jesu sind in der Übersetzung von Martin Luther interessant verknüpft. Vor allem die erste Verknüpfung ist verblüffend: Jesus sagt, dass ihm die „Gewalt“, also die Macht, die Vollmacht gegeben ist und zwar im Himmel wie auf der Erde. Dann spricht er weiter uns sagt: „Darum geht hin.“ Darum? Weil Jesus alle Macht hat, darum müssen die Seinen nun losgehen und seine Arbeit fortführen? Wäre es nicht eigentlich zu erwarten, dass Jesus, wenn er doch nun anscheinend allmächtig ist, selbst dafür sorgen kann, dass sich seine Botschaft über die ganze Welt verbreitet? Könnte er nicht einfach durch ein Fingerschnipsen dafür sorgen, dass alle Welt sich zu Gott hält?
Was ist das für eine Logik, in der Jesu Gewalt oder Vollmacht der Grund dafür ist, dass nun seine Jüngerinnen und Jünger weitermachen sollen? Ich denke, die Logik liegt in der Aufgabe, die Jesus den Seinen erteilt: Geht, lehrt, tauft, macht alle zu Nachfolgenden! Was für eine Nachfolge wäre es wohl, wenn sie durch eine, wenn auch „höhere“ Gewalt zustande käme! Eigentlich macht Jesus in seinem „Taufbefehl“ bereits deutlich, dass Mission nie unter Zwang geschehen darf. Er, der Auferstandene höchstpersönlich, hat „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ und verzichtet gänzlich darauf, sich dieser Macht zu bedienen. Stattdessen, oder besser noch „darum“, sind diejenigen am Zug, die ihm bereits nachfolgen. Sie können erzählen, lehren, taufen, vorleben und werben für ihren Glauben. So lautet die Logik: Weil Jesus niemanden zwingt, sollen es seine Jüngerinnen und Jünger auch nicht tun.
Wenn man so will, nimmt der auferstandene Jesus bei seinem Abschied vor allem den Druck raus. Auf der einen Seite ist die Aufgabe riesig: Die ganze Welt soll es erfahren, was Gott Gutes will und tut für die Menschen. Gleichzeitig gilt: Kein Druck! Und das gilt auch für diejenigen, die sich nun auf den Weg machen sollen. Denn denen verspricht Jesus: Ihr macht das schon. „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ So regiert Gott: nicht durch ein Fingerschnipsen, sondern durch sein Wort. Durch Gottes Wort ist die Welt entstanden, durch Gottes Wort wird sie erlöst. Und die ganze Zeit über ist er bei uns.
Mit der Wochenaufgabe tue ich mich nun allerdings ein wenig schwer. Soll ich Ihnen einen Missionsauftrag geben? Vielleicht fangen wir besser etwas anders an: Achten Sie auf Gottes Nähe! Passen Sie einmal genau auf, wann Jesus sein Versprechen einlöst und bei Ihnen ist! Wenn Sie sich diese Momente merken können, ist es nicht mehr weit bis zu dem Augenblick, an dem Sie anderen davon erzählen. Und das ist dann bereits ein großer Schritt zur Mission, zu der Jesus uns beauftragt.
Ich wünsche Ihnen eine entdeckungsreiche Woche!
Ihr Frank Muchlinsky