München (epd). Menschen zu ihrer eigenen Wahrnehmung zu befragen, kann in der sozialwissenschaftlichen Forschung nicht durch „Big Data“ ersetzt werden: Zu diesem Schluss kommt eine Forscherin der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Manche gesellschaftlichen Entwicklungen ließen sich nicht allein mit digitalen Daten erfassen, sondern bräuchten Befragungsmethoden, die auf die Wahrnehmung des Menschen setzten, teilte die LMU am Donnerstag mit.
Zwar stünden der sozialwissenschaftlichen Forschung heute Unmengen digitaler Daten zur Verfügung, hieß es. Dennoch ließen sich manche sozialen Phänomene schwer vorhersagen, etwa der Ausgang von Wahlen oder die Verbreitung von Viren wie in der Corona-Pandemie. Die Auswertung digitaler Datenspuren genüge nicht, sagt die LMU-Statistikprofessorin Frauke Kreuter: „Der Mensch als Sensor sollte nicht übersehen werden, vor allem in Bereichen, die sich schlecht mit digitalen Verhaltensdaten erfassen lassen.“
Die Befragung einzelner Menschen sei auch in Zeiten von Big Data - dem Auswerten komplexer digitaler Datenmengen - häufig entscheidend. „Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass durch Umfragen wertvolle Zusatzinformationen gesammelt werden können“, schreibt Kreuter gemeinsam mit einem Autorenteam im Fachmagazin „Nature“. Dabei setzten die Forscher nicht nur darauf, dass Befragte über sich selbst Auskunft geben. Menschen könnten auch als Sensoren dafür dienen, was in ihrer Umgebung passiere.
Die Methode des „Human social sensing“ setzt Kreuter aktuell im „Global Covid Trends & Impact Survey“ ein, mit dem die Entwicklung der Corona-Pandemie vorhergesagt wird. Seit April 2020 werden weltweit Daten erhoben, global seien mehr als 55 Millionen Menschen befragt worden. Sie sollen unter anderem angeben, ob in ihrem Umfeld jemand Covid-19-Symptome zeigt, was ein wichtiger Vorhersage-Faktor für die Entwicklung der Pandemie sei.