Eine junge Beischlafdiebin wird von der Polizei als Spitzel auf einen Drogenhändler angesetzt: Das war, auf den Kern reduziert, die Handlung des Thrillers "Die Informantin", den die ARD vor einigen Jahren gezeigt hat. Die Geschichte fiel nicht weiter aus dem üblichen Rahmen des "Undercover"-Genres, dessen Spannung stets aus der Frage resultiert, ob der Held oder die Heldin heil aus der Sache rauskommen. Letztlich lebte der Film von der Energie seiner Hauptdarstellerin Aylin Tezel sowie dem Kontrast zwischen ihr und Ken Duken als in sich ruhender Stuttgarter Drogenfahnder.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
2019 folgte eine Fortsetzung, die in vielerlei Hinsicht eine Nummer größer ausfiel; und das nicht nur, weil sie in Berlin spielt. Der erste Film war zwar fesselnd, aber Regisseur Philipp Leinemann, der zuvor mit dem Polizeifilm "Wir waren Könige" für eins der aufregendsten Kinodebüts der letzten Jahre gesorgt hatte, hat das Thriller-Potenzial der Geschichte bei Weitem nicht ausgenutzt. Der zweite Film ist von Isabel Kleefeld (Buch und Regie). Sie hat zwar auch schon packende Filme gedreht, unter anderem "Im Netz" (2013), einen Thriller über eine Frau, die nach einem Identitätsdiebstahl die Kontrolle über ihr Leben verliert (Deutscher Fernsehkrimipreis), aber in erster Linie steht die Regisseurin für Werke wie das herausragend gut gespielte Ehedrama "Was ich von dir weiß" (2017) oder das Krimidrama "Arnies Welt", für das sie 2007 den Grimme-Preis bekommen hat. Mit ihrer jüngsten Arbeit beweist sie, dass sie – mit Unterstützung durch eine entsprechende Thriller-Musik (Sven Rossenbach und Florian van Volxem) – auch auf mehreren Ebenen hohe Spannung herstellen kann, selbst wenn sich ihr Drehbuch ähnlich wie der erste Film am gewohnten Schema orientiert.
Diesmal soll sich Jurastudentin Aylin an einen angesehenen Anwalt ranmachen. Dank eines anonymen Informanten, der sich hinter dem Decknamen "Lissabon" verbirgt, weiß das BKA, dass dieser Engelhardt (Stefan Kurt) in großem Stil Geldwäsche für prominente Kunden betreibt; unter ihnen ist auch der Kopf eines europaweit aktiven Terrornetzwerks. Bislang fehlen jedoch entsprechende Beweise. Clever sorgt Aylin dafür, dass sich Engelhardts Sohn (Franz Dinda) für sie interessiert. Auf diese Weise lernt sie auch den Vater kennen, der prompt ähnlich angetan ist wie sein Sohn und ihr einen Job in seiner Kanzlei gibt. Schließlich kommt es tatsächlich zur Begegnung mit dem Kopf des Netzwerks, aber da ist Aylins Tarnung längst aufgeflogen; für alle drei wird das Treffen zur tödlichen Falle.
Der Reiz der Geschichte liegt wie schon beim ersten Film im Mit- und Gegeneinander der Figuren, denn die Einsatzleiterin (Suzanne von Borsody) treibt ein schmutziges Spiel: Erst lockt sie Aylin aus ihrem Wiener Zeugenschutzprogramm nach Berlin, indem sie ihr suggeriert, ihre Schwester (Pegah Ferydoni) und deren Tochter seien in Gefahr, dann schickt sie die junge Frau skrupellos in die Höhle des Löwen; offenbar ist es der Polizistin völlig egal, ob Aylin heil aus der Sache rauskommt. Ex-Drogenfahnder Jan, mittlerweile Schwiegersohn seiner Chefin, damals in Aylin verliebt und auch heute wieder von ihr verzaubert, lässt sich ebenfalls nicht in die Karten schauen. Ausgesprochen reizvoll ist auch das Katz-und-Maus-Spiel, das der Anwalt und die BKA-Beamtin miteinander treiben; mit Stefan Kurt ist der Gegenspieler zudem ausgezeichnet besetzt, zumal der Schweizer den Mann durchaus sympathisch verkörpert.
Die Entwürfe der meisten Figuren sind schlüssig, die Mitwirkenden namhaft. Aus dem Rahmen fallen allein ein etwas übertrieben als nerviger Nerd konzipierter BKA-Techniker (Tino Mewes) sowie Nina Kronjäger als Geliebte des Anwalts; völlig unglaubwürdig ist eine Szene, in der sie Aylin im Lokal eine Ohrfeige gibt, weil sie einen Anwaltswitz der betrunkenen Frau schlagfertig gekontert hat. Ken Duken markiert den coolen Schweiger, was ihm wie stets scheinbar mühelos gelingt, und auch Franz Dinda ist eine treffliche Ergänzung, aber der Star des Films ist natürlich Aylin Tezel. Die in Bielefeld aufgewachsene und in Berlin lebende Ostwestfälin ist mittlerweile Mitte dreißig, kann aber dank ihrer jugendlichen Ausstrahlung problemlos Rollen übernehmen, die zehn Jahre jünger sind. Ihr gern energiegeladenes Spiel macht sie unverwechselbar, fällt im "Tatort" aus Dortmund aber oft aus dem Rahmen. Mitunter hat es ohnehin den Anschein, als müsse ihr Ungestüm gebremst werden. Dass die Heldin der beiden "Informantin"-Filme Tezels Vornamen Namen trägt, mag Zufall sein, aber zu dieser Figur passt ihre Ausstrahlung perfekt. Die Film-Aylin entspricht zwar nach wie vor nicht den gängigen Vorstellungen einer Jurastudentin, aber das emotionale Engagement wie auch das trotzige Temperament der jungen Frau verkörpert Tezel jederzeit glaubwürdig.