Kinderschutz-Expertin: Hilfe muss leichter zu Familien kommen

Oldenburg (epd). Die Kinderschutzexpertin Mareike van't Zet rechnet mit einer massiven Zunahme von Kindeswohlgefährdungen infolge der Corona-Pandemie. „Wir kennen die Risiko-Faktoren“, sagte die Leiterin des Oldenburger Kinderschutz-Zentrums dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Als Kinderschützerinnen wissen wir: Umso mehr Druck in Familien und ihrem Umfeld herrscht, umso mehr steigen Angst und Verunsicherung. Umso schlechter die Entlastungssysteme wirken können, umso mehr steigt das Risiko gewalttätiger Entladungen bei Erwachsenen, denen die Nerven durchbrennen, weil sie sowieso schon blankliegen.“

Die Isolation im Lockdown habe die Situation für betroffene Kinder und Jugendliche verschärft, erklärte die Expertin: „Wir gehen davon aus, dass Kinder derzeit viel weniger in der Lage sind, über Erlebtes zu sprechen.“ Viele soziale Bezüge wie etwa die Schule, in denen Kinder sonst in Kontakt mit Vertrauenspersonen kommen könnten, seien weggebrochen. Diese Vertrauten könnten die Not in Familien erkennen und die Betroffenen in Hilfesysteme wie das Kinderschutz-Zentrum weitervermitteln.

Doch die Isolation betreffe auch die Eltern, betonte van't Zet. Kurzarbeit und insbesondere Sorgen um Arbeitsplatz und wirtschaftliche Absicherung spielten eine große Rolle: „Je höher der Grad der Isolation nach außen, desto stärker wächst das Risiko häuslicher Gewalt.“ Gerade im Lockdown könne dies vom sozialen Umfeld nicht wahrgenommen werden. Damit steige die Gefahr, dass sich der Prozess verstetige.

Um erschöpften Eltern, „die kurz vor dem Durchbrennen sind“, und betroffenen Kindern schneller helfen zu können, seien mehr niedrigschwellige Angebote nötig. „Wir brauchen dazu mehr Menschen und Ressourcen“, forderte van't Zet: „Denn im Zweifel benötigen Eltern in Not sofort Unterstützung.“

Die Expertin verwies auf das Hilfsangebot „Nummer gegen Kummer“ unter www.elterntelefon.info und der bundesweiten kostenlosen Telefonnummer 0800/1110550. „Sich hier in Momenten großer Anspannung Hilfe zu suchen, kann eine Situation erst einmal entlasten“, sagte van't Zet. Für die weitere Suche nach Lösungen in scheinbar ausweglosen Situationen empfehle sie den Kontakt zu einer Beratungsstelle.

Um leichter mit Jugendlichen in Kontakt zu kommen, seien mehr betreute Aktivitäten in den sozialen Netzen wünschenswert, sagte sie. „Wir brauchen beispielsweise einen Hilfebutton bei Snapchat, TikTok und den anderen sozialen Medien, der die Jugendlichen und Kinder neugierig macht. Aber wenn sie dann auf einen Kontakt klicken, muss ihnen auch ein Mensch antworten.“ Einfach nur ein Link zur nächsten Beratungsstelle reiche nicht aus.