Als Kind der 70er Jahre träumte der Schriftsteller und Filmemacher Strübing von Weltraumstädten und fliegenden Autos, aber in den 80ern wurden die Zeitläufte immer düsterer: Tschernobyl, Waldsterben, drohender Atomkrieg. Heute ist die Zukunft ohnehin nicht mehr das, was sie mal war. Wer jetzt jung ist, fragt sich womöglich, was die Menschheit eher dahinraffen wird: der Klimawandel oder eine tödliche Pandemie, gegen die Corona wie eine Grippe wirkt. Als Jugendlicher hat Strübing das Buch "So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen" (1985) von Hoimar von Ditfurth gelesen; der Titel ist eine Anspielung auf das Martin Luther zugeschriebene Zitat "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen." Doch wer glaubt heute noch an morgen? Weil Strübing aber trotz allem positiv denken will, hat er für seine 3sat-Sendung mit Menschen gesprochen, die viel Zuversicht verbreiten.
Das ist fraglos aller Ehren wert, aber noch keine Garantie für einen fesselnden Film. Sehenswert wird "Ist das Zukunft oder kann das weg?" nicht zuletzt durch die abwechslungsreiche Gestaltung. Das beginnt schon mit der Präsentation: Strübing führt zwar selbst durch die Dokumentation, aber als gezeichnetes Alter Ego im Astronautenanzug; die Animation hat er ebenfalls beigesteuert.
Hin und wieder ist er auch persönlich zu sehen, wenn er beispielsweise mit einem kleinen roten Fernseher durch die Gegend stapft. Das Gerät dient als Monitor für die Gespräche, die er per Video geführt hat; diese Idee, aus der Not eine Tugend zu machen, steht für die erkennbare Absicht, ungewöhnliche erzählerische Ansätze zu finden.
Eine weitere Besonderheit ist die subjektive Perspektive. Der Film beginnt mit Strübings Erinnerung an seine Kindheit in Berlin-Marzahn. Der neunjährige Volker wohnte in der Nähe der Allee der Kosmonauten, war ein großer Science-Fiction-Fan und ein begeisterter Leser der Weltraumserie der ostdeutschen Comic-Zeitschrift "Mosaik", die 30 Jahre zuvor schon sein Vater als Kind gelesen hatte.
Habitate im All, Metropolen unter Wasser, Städte ohne Armut, Angst und Dreck: Das war seine Zukunftsvision. In dieser Zukunft lebt er nun, aber die Utopien haben sich nicht erfüllt. Wir leben im "postutopischen Zeitalter", bestätigt der Science-Fiction-Autor und Zukunftsforscher Karlheinz Steinmüller. Anders gesagt: Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Strübings Töchter sind zwei und vier Jahre alt. Er fragt sich, welche Geschichte er ihnen von der Zukunft erzählen soll; und davon handelt dieser gerade angesichts der Kürze beeindruckend facettenreiche Film.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Für das breite thematische Spektrum stehen vor allem die Gespräche, die Strübing geführt hat. Er hat Menschen ausgewählt, die nicht auf die Zukunft warten, sondern sie gestalten wollen, etwa eine Vertreterin von Ecosia, jener Suchmaschine, die mit ihren Gewinnen Bäume pflanzt.
Der Sozialpsychologe Harald Welzer, Gründer von Futurzwei. Stiftung Zukunftsfähigkeit, findet es unverantwortlich, die Jugend dauernd mit dem Weltuntergang zu konfrontieren; er plädiert dafür, vor allem Geschichten des Gelingens zu erzählen. Wie wichtig das wäre, belegen die Ergebnisse der Studien von Magali Mohr. Die Politikwissenschaftlerin hat 2018 die Zukunftsbilder der heutigen jungen Generation erforscht; ihre Schilderungen vermitteln zunächst wenig Anlass zur Hoffnung. Mohr ist heute wissenschaftliche Mitarbeiterin am Futurium Berlin; das Forum soll Lust auf die Herausforderungen von Morgen machen. Anfangs illustriert Strübing ihre Ausführungen mit zerplatzenden Seifenblasen; später, als die Prognosen der Wissenschaftlerin positiv werden, ergänzt er ihre Gesten um einen kleinen Regenbogen und glitzernden Sternenstaub.
Neben der Aufbruchstimmung, die Strübing im Kontrast zur allgemeinen Krisenkakophonie verbreiten will, sind es gerade diese kleinen Ideen, die große Freude bereiten, zumal Realität und Animation mehrfach miteinander verschmelzen. Hinzu kommt ein auf sympathische Weise ironischer Kommentar: In den 80ern mochte der Atomkrieg gedroht haben, aber immerhin waren die Renten sicher. Den Atomkrieg fürchten heutige Jugendliche nicht mehr so sehr, aber den Glauben an die Rente haben sie verloren.
Abgerundet wird der Film durch eine Musikauswahl mit Bezug zum Thema und großem Wiedererkennungseffekt, allen voran die berühmten Titelmelodien der TV-Serien "Raumpatrouille" und "Raumschiff Enterprise".