Berlin, Düsseldorf (epd). DIW-Chef Marcel Fratzscher kritisiert die am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedete Pflegereform und fordert eine neues Finanzierungsmodell. „Die Pflegereform ist ein minimaler Kompromiss, der den Herausforderungen der demografischen Alterung der kommenden Jahrzehnte nicht gewachsen sein wird“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (online Mittwoch, Print Donnerstag). Die Finanzierung einer nachhaltigen Pflegereform erfordere ein anderes Finanzierungsmodell wie einen Pflegefonds, der jetzt Rücklagen für die Zukunft bilden müsse.
Ein positives Element der Pflegereform sei hingegen der Versuch, die Löhne zu erhöhen, erklärte der Professor für Makroökonomie von der Humboldt-Universität zu Berlin. „Allerdings ist die Gefahr groß, dass der Versuch, Löhne in Tarifhöhe an die Zulassung der Pflegeeinrichtung zu koppeln, offen für Umgehung sein wird“, warnte er. Ein allgemeingültiger Tarifvertrag für die gesamte Branche werde langfristig der einzige Weg sein, eine angemessene Bezahlung und einen fairen Wettbewerb in der Branche zu gewährleisten. „Diese Pflegereform wird den massiven Fachkräftemangel in der Branche kaum adressieren können.“
Die Bundesregierung hat am Mittwochmorgen eine Teilreform in der Pflege beschlossen. Von September 2022 an sollen nur noch solche Einrichtungen mit der Pflegekasse abrechnen können, die Tariflöhne oder Löhne in gleicher Höhe bezahlen. Heimbewohner sollen vom zweiten Jahr an bei den stark steigenden Zuzahlungen entlastet werden. Geplant ist ein prozentualer Zuschuss zu ihren Pflegekosten. Zur Gegenfinanzierung erhält die Pflegeversicherung vom Bund jährlich eine Milliarde Euro. Außerdem soll der Pflegebeitrag für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkt steigen. Der Bundestag muss die Änderungen noch beraten und beschließen.