Berlin (epd). In einem Pilotprojekt erhalten 122 Frauen und Männer aus ganz Deutschland seit dem 1. Juni ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.200 Euro monatlich. In der dreijährigen Studie soll untersucht werden, ob und wie die bedingungslose, regelmäßige Auszahlung eines Geldbetrages bei den Empfängerinnen und Empfängern wirkt, sagte der Sozialwissenschaftler und Arbeitsmarktexperte Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beim Start am Dienstag in Berlin.
Angestoßen wurde das Projekt von der gemeinnützigen Initiative „Mein Grundeinkommen“ um den Unternehmer Michael Bohmeyer. Wissenschaftlich begleitet wird es neben dem DIW auch von der Uni Köln und dem Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn.
Die dreijährige Auszahlung ist weder an eine Bedürftigkeit gekoppelt noch sind damit für die Empfänger Verpflichtungen verbunden, sagte Initiator Bohmeyer. Jeder könne zudem frei entscheiden, ob er durch Erwerbsarbeit hinzuverdienen möchte.
Die Protagonisten sind nach seinen Angaben alle zwischen 21 und 40 Jahre alt, leben in Single-Haushalten und gehören der Mittelschicht an. Sie wurden aus über zwei Millionen Menschen ausgewählt, die sich im vergangenen Jahr dafür beworben hatten. Finanziert wird das Projekt durch Spenden von rund 181.000 Privatpersonen.
Die gemeinsame Studie steht unter dem Motto „Wir wollen es wissen“ und soll erstmals Grundlagenforschung zum bedingungslosen Grundeinkommen liefern. „Wir stehen vor großen Herausforderungen in einer digitalisierten Arbeitswelt, für die wir bisher keine Lösungen haben“, sagte Bohmeyer: „Wir wollen wissen, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen eine Lösung sein könnte.“
Erhofft werden sich laut Bohmeyer Antworten auf Fragen wie „führt ein Grundeinkommen zu weniger Burnout, entwickeln die Empfängerinnen und Empfänger mehr Gemeinsinn, ermöglicht es bessere Arbeit und Weiterbildung, haben die Menschen mehr Kapazitäten, sich für eine lebenswerte Zukunft für alle einzusetzen?“. Um das zu messen, müssen die Teilnehmenden alle sechs Monate einen Onlinefragebogen ausfüllen. Verglichen werden die Ergebnisse mit einer Gruppe von weiteren 1.378 Personen, die kein Grundeinkommen beziehen.
Die sozialen, überwiegend beitragsfinanzierten Sicherungssysteme in Deutschland hätten sich vielfach bewährt, sagte Studienleiter Schupp. Gerade in der Corona-Krise sei aber deutlich geworden, bei welchen sozialen Gruppen, wie Geringverdienenden und Selbstständigen, sie an ihre Grenzen stoßen. Und dieses Problem werde sich noch verschärfen, glaubt der Sozialwissenschaftler: „Ein Bürgerrecht auf ein bedingungsloses Mindesteinkommen hätte das Potenzial, einige Schwächen unseres derzeitigen Systems sozialer Sicherung zu überwinden.“