Der Zufall will es, dass die ARD drei Tage nach einer überaus informativen ZDF-Dokumentation ebenfalls einen Wolfsfilm zeigt. Das Drehbuch bietet gewissermaßen die fiktionalisierte Form jener Fakten, mit denen sich auch "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Wolf" beschäftigt hat. Als sich rausstellt, dass der Wolfsforscher Moritz Leytner (Max Woelky) das Rudel ausgewildert hat, wird der junge Mann prompt zur Zielscheibe von Hass und Hetze.
Häuser kommt das alles sehr recht: Der amtierende Bürgermeister (Heinz-Josef Braun) geht in den Ruhestand, der Bauer will sein Nachfolger werden und nutzt die vermeintliche Bedrohung als Chance, um Stimmung gegen den Wissenschaftler und seine angeblich harmlosen Tiere zu machen. Da Häuser einen Jagdschein hat, nimmt er den Abschuss selbst in die Hand. Beistand erhält Leytner allein von Gestütsleiterin Rike Wildenstein. Ihre Solidarität wird allerdings auf eine harte Probe gestellt, als auch ihre Ponys angegriffen werden.
Anfangs konnte sich die nicht nur wegen der eindrucksvollen Naturaufnahmen und Hauptdarstellerin Klara Deutschmann sehenswerte ARD-Reihe vor allem auf den Reiterhof und Rikes Kampf um ihren Hengst Jacomo konzentrieren. Das führte allerdings schon im dritten Film zu einem gewissen Abnutzungseffekt, selbst wenn die Drehbücher immer wieder neue Anlässe für familiäre Verwicklungen fanden; deshalb müssen die Bedrohungen nun von außen kommen.
Antagonisten sind aber keineswegs die Wölfe. Der erfahrene Josh Broecker, nicht nur wegen der Trilogie "Eltern allein zu Haus" (2017) ein Garant für anspruchsvolle Unterhaltung, hat bei seiner ersten Arbeit für "Reiterhof Wildenstein" gemeinsam mit Kameramann Eckhard Jansen selbstredend dafür gesorgt, dass die Tiere im buchstäblich besten Licht erscheinen; die entsprechenden Aufnahmen sind zum Teil höchst beeindruckend.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Schurke der Geschichte ist natürlich Bauer Häuser. Seine Argumente für den Abschuss mögen objektiv betrachtet sogar nachvollziehbar sein, aber die Art und Weise, wie er seine Frau (Patricia Aulitzky) bevormundet, lässt keinen Zweifel an seinem schlechten Charakter. Diese klischeehafte Zuspitzung wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, zumal Michael A. Grimm oft genug gezeigt hat, dass er scheinbar eindimensionalen Figuren auch Zwischentöne abgewinnen kann; Häuser hingegen, ein Kleinbürger und Haustyrann, erscheint als skrupelloser Ehrgeizling, dem jedes Mittel recht ist. Als ihn Andrea Stoll, die bislang alle Drehbücher für die Reihe geschrieben hat, indirekt zum Verursacher all’ des Übels macht, kann er einem fast leid tun; dem Film verhilft die Entlarvung allerdings zu einer überraschenden Wende.
Natürlich darf auch die romantische Ebene nicht fehlen. Die Beziehung zwischen Rike und dem Polizisten Jan (Stefan Pohl) tritt zwar auf der Stelle, aber dafür greift mit dem schmucken Wolfsforscher ein Nebenbuhler ins Geschehen ein. Dass sich Rike und Moritz bei jeder Begegnung grundlos angiften, ist jedoch übertrieben und daher etwas unglaubwürdig; die Szenen wirken wie ein etwas aufdringliches Signal à la "Was sich liebt, das neckt sich".
Zwischendurch ergötzt sich der Film auch mindestens einmal zu oft an den Bildern der mit ihrem Hengst durch die schöne Landschaft preschenden Heldin. Ärgerlicher ist allerdings die unnötige Emotionalisierung von ohnehin schon berührenden Szenen durch Schmuse-Popsongs, die zusätzlich auf die Tränendrüse drücken.
Demgegenüber steht die Spielfreude des Ensembles. Michaela May und Helmfried von Lüttichau erfüllen ihre Rollen mit viel Leben, zumal gerade May geschickt auf einem schmalen Grad zwischen Klischee und Karikatur balanciert: Rikes esoterisch angehauchte Hippie-Tante lädt die Teilnehmerinnen ihres Yoga-Kurses zum "Waldbaden" ein, wo die Frauen prompt auf den Wolf treffen.
Sämtliche Szenen mit dem Tier sind dank eines offenbar vorzüglichen Tiertrainings ausgesprochen eindrucksvoll. Auch in dieser Hinsicht findet der Film einen guten Mittelweg: Der Wolf wird weder verniedlicht noch dämonisiert. Gleiches gilt für die Sorgen der Einheimischen, zumal sie die Ängstlichkeit vieler Menschen repräsentieren; der Film ist daher die perfekte Ergänzung zur Dokumentation mit Jaenicke im ZDF.