Julia Lüder und Josef Weber wollen am 22. Mai in Bockenem-Mahlum vor den Altar treten. "In meinem Heimatort und in der Kirche, in der schon meine Eltern und Großeltern getraut wurden", sagt die 30-Jährige. Im Januar 2020 hat Josef ihr den Heiratsantrag gemacht. Von Corona hatte da noch kaum jemand gehört. Das Paar aus Berlin gehört zu denjenigen, die anders als viele am Termin für die kirchliche Hochzeit festhalten.
Dabei mussten sie zwischen Hoffen und Bangen immer mehr Abstriche machen. "Fotografin, DJ, Gaststätte - alles war schon geplant", sagt Julia Lüder. 75 Gäste sollten zunächst kommen, dann 50. "Noch vor ein paar Monaten waren wir optimistisch." Nachdem sie die Dorfkirche gemeinsam mit Pastorin Christina Bosse besichtigt hatten, war klar, nur die engste Familie und wenige beste Freunde können in den Traugottesdienst kommen.
Standesämter verzeichnen im zweiten Corona-Jahr teils zurückhaltende Anfragen und Absagen von Brautpaaren. Bei kirchlichen Trauungen ist der Trend für das Frühjahr noch deutlicher, hat eine epd-Stichprobe ergeben.
Heiratswille immer noch da
"Es werden fast täglich kurzfristig und teilweise mehrfach Termine umgebucht für einen späteren Zeitpunkt in diesem Jahr oder für 2022", berichtet eine Sprecherin der Stadt Lüneburg vom dortigen Standesamt. Insgesamt aber sei der Rückgang der Eheschließungen moderat. Auch Udo Möller von der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover sagt: "Eine generelle Verunsicherung besteht." Der Heiratswille sei aber da. Aus Braunschweig heißt es Ähnliches, es würden Termine verschoben oder in Standesämter außerhalb der Stadt verlegt.
Tanja und Andre Hallmanseder haben sich am Freitag in Müden bei Celle von Pastor Rudolph Blümcke den kirchlichen Segen für ihre Ehe zusprechen lassen. "Wir haben uns fast zwei Jahre lang darauf gefreut", begründet Tanja Hallmanseder, warum auch sie nach kurzen Überlegungen am lange geplanten Termin festgehalten haben. "Auch der Pastor hat sich gefreut, in diesem Jahr war es seine erste Trauung."
Vier Feiern um Mai
Weil nach der kirchlichen Hochzeit große Feste Tradition haben, verzeichnen Kirchengemeinden Absagen und Verschiebungen. Die Marktkirche in Hannover etwa wird aktuell von Brautpaaren kaum angefragt. Gleiches gilt für den Hamburger Michel mit nur rund der Hälfte der sonst üblichen bis zu 40 Trauungen und Segnungen im vergangenen Jahr. Im Mai finden dort immerhin vier Feiern statt, sagt Christine Urlass von Michel-Büro.
In der bei Brautpaaren beliebten "Ole Kerk" im Heideort Bispingen hatten sich im vergangenen Jahr 25 Paare einen Termin gesichert, wie Pastor Frank Blase berichtet. Nur vier Hochzeiten fanden auch statt. Doch auch im laufenden Jahr sind von 20 Hochzeiten mehr als die Hälfte verschoben worden.
Wie Sprecher Florian Gartmann aus dem Kirchen-Sprengel Hannover berichtet, ballen sich dagegen Anfragen für den Herbst, verbunden mit der Hoffnung, dass dann vieles wieder möglich ist.
Selbstverständliches wird Besonderheit
Was für die Paare traurig ist, wirkt sich auf die Branche dramatisch aus. "Normalerweise gehört der Mai zu den besten Monaten für die Hochzeitsbranche", sagt die Sprecherin des Bundesverbandes deutscher Hochzeitsplaner, Svenja Schirk. "In diesem Jahr wird dem nicht so sein - wir haben weiterhin durch das neue Infektionsschutzgesetz Berufsverbot in weiten Teilen Deutschlands." Schirk ist selbst Hochzeitplanerin und spricht von hundert Prozent Einnahmeausfall im vergangenem wie im laufenden Jahr.
Julia Lüder und Josef Weber hoffen darauf, dass in Niedersachsen an ihrem großen Tag Außengastronomie öffnen kann. Auch wenn nur je zwei Haushalte zusammen sitzen dürfen, will die Hochzeitsgesellschaft essen gehen. "Uns ist es wichtig, die Regeln einzuhalten", betont der 31-Jährige. Der Betreuer in einer Förderschule ist vollständig geimpft. Er könnte sogar von Tisch zu Tisch gehen. In der Pandemie wird sonst Selbstverständliches zu einer Besonderheit.
So sind auch in den Standesämtern die Regeln strikt, auch wenn in Niedersachsen bei niedrigeren Inzidenzen wieder etwas mehr Anwesende erlaubt sind. In Berlin, wo Lüder und Weber sich vor abgezählten Gästen das "Ja-Wort" gegeben haben, musste sogar das Brautpaar eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Geht da die Romantik nicht verloren? Josef Webers Mund umspielt ein Lächeln und Julia Lüder strahlt über das ganze Gesicht. "Nein!", betonen beide. Er fügt an: "Es ist romantisch, weil wir uns durchsetzen gegen alle Widrigkeiten. Wir machen das - trotz Corona."