Der Herr ist mein Hirte. Mir fehlt es an nichts. Auf saftig grünen Weiden lässt er mich lagern. Er leitet mich zu Ruheplätzen am Wasser, dort erfrischt er meine Seele. Er führt mich gerecht durchs Leben. Dafür steht er mit seinem Namen ein. Und muss ich durch ein finsteres Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist an meiner Seite! Dein Stock und dein Stab schützen und trösten mich. Du deckst für mich einen Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haar mit duftendem Öl und füllst mir den Becher bis zum Rand. Nichts als Liebe und Güte begleiten mich alle Tage meines Lebens. Mein Platz ist im Haus des Herrn. Dort möchte ich mein Leben lang sein.
Psalm 23 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe Wellenbrecherinnen und -brecher,
die Infektionszahlen in unserer Umgebung sinken. Überall werden mehr und mehr Menschen geimpft. Ganz langsam zeichnet sich ab, dass unser Leben wieder ungezwungener werden kann. Aber die Pandemie hat uns skeptisch gemacht. Unser Blick in die Zukunft ist kurzsichtiger geworden, weil wir gelernt haben, dass wir Besserungen nicht trauen können. Die Zukunft erscheint verschwommen und trübe. Wir sind nicht nur vorsichtiger geworden, wenn es um unsere Pläne geht, wir trauen der Zukunft zu, dass sie uns enttäuscht. Und dann ist da noch dieser Satz, den man immer wieder liest und hört und der geeignet ist, uns noch ängstlicher zu machen: „Es wird nichts mehr so sein wie vorher!“
Was sich so prophetisch anhört, ist eine schlimme Verallgemeinerung. Vieles hat sich durch die Pandemie verändert, aber dass tatsächlich gar nichts mehr sein wird, wie es war, ist nicht zu erwarten. Unsere Welt verändert sich ohnehin ständig, und wir verändern uns mit ihr. Die Pandemie beschleunigt viele dieser Veränderungen so sehr, dass wir sie besser wahrnehmen. Die Digitalisierung ist ein Beispiel dafür. Die war seit langer Zeit im Gang, nur nutzten zwangsläufig mehr Menschen die digitalen Möglichkeiten als zuvor. Es ist davon auszugehen, dass es nach der Pandemie mehr Videokonferenzen geben wird, mehr Homeoffice und weniger Dienstreisen. Aber es wird auch wieder Menschen geben, die auf Dienstreisen gehen. Es wird wieder Kirchentage geben, auf denen man sich in U-Bahnen drängelt, Konzerte voller tanzender Menschen, Kirchen, die von gemeinsamem Gesang erfüllt sind.
In misstrauischen Zeiten neigen wir besonders leicht dazu, in Veränderungen Bedrohungen zu sehen. Wir bleiben lieber bei dem Bekannten, weil es uns Sicherheit vermittelt. Das ist nachvollziehbar und keine Schande. Dass Traditionen Halt geben, ist nicht zuletzt für den Glauben eine einfache Weisheit. Das Vaterunser lernt man einmal auswendig und kann es dann immer wieder beten. Natürlich kann man auch mit eigenen Worten zu Gott sprechen, aber es tut gut, wenn man sich darauf verlassen kann, sich Worte leihen zu können für Momente, in denen man selbst keine findet. Ähnlich ist das mit dem 23. Psalm. Der scheint ebenfalls zum Auswendiglernen geschrieben zu sein. Es ist wie ein Mittel aus einer Hausapotheke. Wirksam gegen innere Unruhe und immer griffbereit.
Was aber passiert, wenn jemand das Hausmittel verändert? Ich habe Ihnen heute eine neue Übersetzung des beliebten Psalms mitgebracht, damit Sie einmal schauen können, wie ihnen das gefällt. Ich selbst fremdele durchaus, wenn ich Bibeltexte, die ich auswendig kenne, in einer anderen Übersetzung lese oder höre. Deswegen sind diese Übersetzungen aber nicht unbedingt schlechter. Sie klingen lediglich ungewohnt. Und es kann noch etwas geschehen, wenn etwas Gewohntes plötzlich anders daherkommt: Man schaut wieder genauer hin: Worum ging es doch gleich dabei? Gibt es etwas zu entdecken, das ich bislang übersehen habe?
So ist es mit vielen Dingen unseres Alltags, an die wir uns gewöhnt haben. Bilder an unseren Wänden zum Beispiel, die wir einmal mit viel Liebe gemacht, ausgesucht und aufgehängt haben. Wenn sie lange genug hängen, wird aus ihnen eventuell eine Dekoration, die wir kaum noch wahrnehmen. Es tut alten Dingen gut, wenn sie in eine neue Ordnung gebracht werden, wenn man ihnen die Chance gibt, wieder aufzufallen. Sie wirken dann wieder besser. Das bedeutet ja nicht, dass man den Psalm 23 nicht mehr in der Lutherversion braucht.
Man kann üben, mit Veränderungen umzugehen. Vor allem, wenn man Dinge nicht zwangsläufig so verändert, dass man von vornherein weiß, dass es kein Zurück mehr gibt. Die Wochenaufgabe für Sie soll darum diese sein: Schauen Sie sich zu Hause einmal genau um und dann verändern Sie etwas! Nehmen Sie Bilder ab oder hängen Sie sie um. Verrücken Sie ein Möbelstück oder zwei! Verändern Sie die Beleuchtung Ihres Wohnzimmers oder den Klingelton Ihres Telefons. Suchen Sie nach Dingen, die neue Aufmerksamkeit verdienen und schenken Sie sie ihnen. Verändern Sie ausschließlich Dinge, die Sie auch wieder rückgängig machen können! Sagen Sie sich bei jeder Veränderung: „So muss es nicht bleiben, aber jetzt mache ich das mal so.“ Üben Sie Veränderungen! Wer weiß, vielleicht wollen Sie die eine oder andere neue Variante ja für etwas länger beibehalten.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Ausprobieren!
Ihr Frank Muchlinsky