Hannover (epd). Die scheidende Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, hat von ihrer Kirche einen demütigeren Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt gefordert. „Ich bin der Überzeugung, dass die evangelische Kirche Macht und Deutungshoheit abgeben muss“, sagte Schwaetzer am Freitag beim ersten Treffen der neu zusammengesetzten Synode der EKD. Kurz zuvor war neuer Streit zwischen Verantwortlichen in der Kirche und Betroffenen von Missbrauch bekannt geworden. Bei der digitalen Tagung kandidiert die frühere Bundesministerin Schwaetzer nicht erneut für das kirchliche Leitungsamt. Die Synode wird am Samstag ein neues Präsidium wählen. Auf der Tagesordnung stand zudem die Herausforderung für die Kirchen durch die Corona-Pandemie.
Das Thema Missbrauch holte die Synode unerwartet ein, als am Freitag bekannt wurde, dass der erst vor rund acht Monaten berufene Betroffenenbeirat möglicherweise vor dem Aus steht. Dieser Beirat, in den Missbrauchsopfer berufen wurden, soll die Aufarbeitungsbemühungen der Kirche begleiten. Sein Gegenüber ist der von der EKD berufene Beauftragtenrat, besetzt mit leitenden Geistlichen und Kirchenjuristen. Dessen Sprecher, der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns, bestätigte Überlegungen zur Auflösung des Gremiums. Man sehe mit Sorge, dass innerhalb kurzer Zeit fünf der ursprünglich zwölf Mitglieder des Betroffenenbeirats zurückgetreten sind, erklärte er. Meyns zufolge werden nun Gespräche darüber geführt, wie es weitergehen kann.
Die Betroffenenbeteiligung geht auch auf die Synode zurück. 2019 hatte sie Opfer sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche zu ihrer regulären Tagung eingeladen. Vor der Sitzung im November 2020, die wegen der Pandemie bereits digital abgehalten werden musste, hatte sich das Kirchenparlament gegen die Einladung von Betroffenen entschieden, was bei einigen von diesen auf heftige Kritik stieß. Auch bei der konstituierenden Sitzung der neuen Synode, die von formellen und personellen Entscheidungen geprägt ist, fand das Thema keinen Platz auf der Tagesordnung. Zur Synodentagung im Herbst sollten aber wieder Betroffene eingeladen werden, legte Schwaetzer ihren Nachfolgern in ihrem Abschiedsbericht dringlich ans Herz. Eine „wirkliche Betroffenenbeteiligung“ müsse möglich bleiben.
Wer Schwaetzers Nachfolger oder ihre Nachfolgerin an der Spitze der Synode wird, entscheidet sich am Samstagvormittag. Gewählt wurden am Freitag bereits die Leitungen der Parlamente der sogenannten konfessionellen Bünde. Der hannoversche Jurist Matthias Kannengießer (52) ist neuer Präsident der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), dem Zusammenschluss der lutherischen Landeskirchen. Der 61Jahre alte hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung wurde zum neuen Vorsitzenden der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) gewählt. Zur UEK gehören innerhalb der 20 evangelischen Landeskirchen unter dem Dach der EKD zwölf Mitgliedskirchen.
Der für sechs Jahre gebildeten 13. EKD-Synode gehören 128 Haupt- und Ehrenamtliche aus allen Landeskirchen an. Die Synode beschließt den Haushalt der EKD und Kirchengesetze. Zudem wählt sie zusammen mit Vertretern aus den Landeskirchen den Rat der EKD. Dies steht bei der regulären Synodentagung im November auf der Tagesordnung. Anders als die kurzen konstituierenden Sitzung dauert diese Tagung bislang rund eine Woche. Das alte Präsidium unter Schwaetzers Leitung hat der neuen Synode einen Vorschlag zur Verkürzung hinterlassen. Das sei zu empfehlen, auch um Ehrenamtlichen die Teilnahme leichter zu machen, sagte die 79-Jährige.