Epidemiologe: Maske und Kontaktbeschränkung begleiten uns noch länger
07.05.2021
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Bremen (epd). Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb begrüßt die Fortschritte beim Impftempo, warnt aber davor, sich in der Corona-Krise zu sehr auf das Ziel der sogenannten Herdenimmunität zu konzentrieren. Es sei eine Illusion zu glauben, das Virus werde sich nicht weiter verbreiten, wenn ein bestimmter Prozentsatz der deutschen Bevölkerung geimpft sei, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei der derzeit vorherrschenden Mutation B.1.1.7 liege dieser Wert rechnerisch etwa bei 75 bis 80 Prozent. Selbst wenn dieser Wert erreicht würde, blieben weitere Unsicherheitsfaktoren.

Dazu gehöre etwa die Lage in anderen Ländern, die Frage, wer tatsächlich wie lange immun ist und welche Mutationen noch auftauchen, erläuterte Zeeb. „Wir müssen damit leben, dass wir immer wieder mit Corona-Ausbrüchen konfrontiert werden können und dass uns Masken und Abstandhalten noch länger begleiten.“

Zeeb rät dazu, das Virus und gewisse Schutzmaßnahmen in den Alltag zu integrieren. „Wir müssen uns darüber klar werden, dass wir einen neuen Alltag bekommen, in dem das Virus eine Rolle spielt. Dass es wieder genau so wird wie früher, danach sieht es nicht aus. Aber immerhin kennen wir das Virus und die Gegenmaßnahmen jetzt. Und es wird dazugehören, dass wir bereit sind, wenn es zu neuen Ausbrüchen kommt“, sagte der Professor am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie.

Es sei auch noch nicht abzusehen, wie etwa künftig mit Massenveranstaltungen oder engen Sitzordnungen in Flugzeugen umgegangen werden sollte. „Ich weiß das auch noch nicht. Aber wir müssen vermutlich anders als bisher darüber denken“, betonte Zeeb.

Ob in absehbarer Zeit in Deutschland und Europa eine Impfquote von 75 Prozent erreicht werden könne, sei zudem fraglich. Immerhin seien Kinder und Jugendliche, also rund 20 Prozent der Bevölkerung, zunächst noch von den Impfungen ausgenommen.

Zugleich rief Zeeb die Politik in Deutschland dazu auf, alle Bevölkerungsgruppen verstärkt und gezielt über die Corona-Impfungen aufzuklären. Nach den andauernden Debatten um Impfdrängler und Impfneid komme es jetzt darauf an, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Längst nicht alle Menschen würden durch die bisherigen Informationskanäle erreicht. Viele hätten noch Fragen, die offen und ehrlich beantwortet werden müssten. Impfkampagnen in sozial benachteiligten Stadtteilen hält er für eine gute Methode.