Köln, Saarbrücken (epd). Der Saarbrücker Wissenschaftler Thorsten Lehr plädiert für eine weitere Überwachung von gegen das Coronavirus geimpften Menschen auf mögliche Infektionen. „Die Frage wird sein: Gibt es dort vielleicht noch Infektionen mit Varianten, die eben dieser Impfung entfliehen können?“, sagte der Professor für Klinische Pharmazie der Universität des Saarlandes am Donnerstag im WDR5-„Morgenecho“. An Geimpfte appellierte er, „noch eine gewisse Vorsichtsmaßnahme“ mit zutreffen und zu bedenken, dass der Impfschutz erst wirke, wenn die zweite Impfung abgeschlossen sei. Lehr hatte gemeinsam mit seinem Team und Forscherkollegen das mathematische Modell für einen Covid-Simulator entwickelt, der Vorhersagen für das gesamte Bundesgebiet liefert.
Momentan laufe es mit den Impfungen gut, erläuterte der Wissenschaftler. Der Knackpunkt werde allerdings sein, ob darüber eine Herdenimmunität erreicht werden könne. Es gebe sicherlich einen Prozentsatz in der Bevölkerung, der sich nicht impfen lassen wolle. Für eine Herdenimmunität müssten allerdings rund 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sein, betonte Lehr. Dabei seien 16 Prozent der Bevölkerung jünger als 18 Jahre und der Impfstoff stehe dort erst noch vor der Zulassung. Zudem sei es möglich, dass die Impfbereitschaft für Kinder durch die Eltern schlechter sein werde. „Wir brauchen noch viel Aufklärung und Aufklärungsarbeit“, sagte er.
Mit Blick auf die sinkenden Infektionszahlen erklärte der Professor für Klinische Pharmazie, dass er davon ausgehe, dass die Ausgangssperre „auf jeden Fall einen positiven Beitrag dazu leistet“. In Hamburg habe es schon früher Ausgangssperren gegeben und dort seien die Zahlen früher gesunken. „Es bleibt natürlich immer sehr schwierig diese Maßnahme wissenschaftlich komplett sauber zu evaluieren“, betonte er. Denn meistens würden mehrere Maßnahmen gleichzeitig gestartet.
Lehr schloss sich allerdings der Kritik an, „dass man im letzten Jahr nicht gelernt hat, wo Infektionen stattfinden“. „Das ist ein großes, großes Versäumnis“, beklagte er. Als Beispiel nannte er die Schulschließungen. „Wir sehen einen Effekt, aber wir können die Ursachen trotzdem nicht konkret ausmachen“, erklärte der Wissenschaftler. So sei etwa offen, ob die Infektionen in den Schulen oder auf dem Weg zur Schule stattfänden und ob die Infektionen zurückgingen, weil die Eltern bei Schließungen auch teilweise zuhause blieben. Wegen der mangelnden Erkenntnis sei momentan kein differenzierteres Vorgehen möglich.