Berlin, Neu-Delhi (epd). Mit fast 353.000 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden hat Indien den fünften Tag in Folge einen dramatischen Höchstwert gemeldet. Insgesamt stieg die Zahl der bestätigten Fälle bis Montag auf rund 17,3 Millionen, wie die Regierung mitteilte. Innerhalb eines Tages kamen 2.812 Corona-Tote dazu, seit Beginn der Pandemie hat das 1,3-Milliarden-Einwohner-Land 195.123 Covid-19-Todesfälle zu beklagen. Mehrere Regierungen, darunter Deutschland, sicherten Hilfe zu.
Indien wird derzeit mit voller Wucht von einer neuen Corona-Welle getroffen, vermutlich getrieben von einer neuen Variante des Virus namens B.1.617. Viele Kliniken sind völlig überlastet, der Sauerstoff zur Behandlung geht aus oder fehlt schon ganz. Kranke müssen abgewiesen werden, Sterbenden kann nicht mehr geholfen werden.
Die Bundesregierung kündigte an, Indien zu helfen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, aktuell werde geprüft, welche Unterstützung gegeben werden könne. Er nannte als Beispiele Sauerstoffanlagen, Beatmungsgeräte und Medikamente. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums fügte hinzu, dass das Hilfspaket auf Bundesebene koordiniert und zügig zusammengestellt werden solle. In Frage kämen neben Beatmungsgeräten auch Medikamente mit monoklonalen Antikörpern, die Arznei Remdesivir sowie Atemschutzmasken.
Die EU-Kommission kündigte ebenfalls Hilfe an. Indien habe am Freitag den Zivilschutz-Mechanismus aktiviert, sagte ein Sprecher am Montag in Brüssel. Über den Mechanismus nimmt die Behörde zentral Hilfsgesuche aus aller Welt bei humanitären Notlagen entgegen. Anschließend koordiniert und kofinanziert die Behörde Hilfsangebote der EU-Länder und weiterer europäischer Staaten. Indien hat den Angaben zufolge vor allem um medizinischen Sauerstoff und antivirale Medikamente gebeten, insbesondere Remdesivir.
Bislang habe in diesem Rahmen Irland fest Hilfe zugesagt, nämlich 700 Sauerstoff-Konzentratoren, sagte der Sprecher. Man sei mit weiteren Ländern in Kontakt. Darunter seien Deutschland und Frankreich, die ihre öffentlich angebotene Hilfe für Indien womöglich über den Zivilschutz-Mechanismus abwickeln wollten. Auch andere Länder wie Großbritannien und die USA sicherten Indien Hilfe zu.
Ein Sprecher des indischen Gesundheitsministeriums warnte unterdessen vor Panik. Aus lauter Angst besetzten manche Menschen Krankenhausbetten und Sauerstoffvorräte, die sie nicht brauchten, sagte er laut der Zeitung "The Hindu". Unnötige Panik führe dazu, dass Medikamente gehortet und wertvolle medizinische Ressourcen missbraucht würden. Die Sauerstoff-Produktion sei nach und nach gesteigert worden. Aber es sei eine Herausforderung, den Sauerstoff von den Herstellungseinrichtungen im Osten und Zentrum des Landes in andere Gebiete zu bringen.
Auch im Nachbarland Nepal verschlechtert sich die Lage deutlich. Die Behörden verhängten strikte Ausgangsregeln in der Region der Hauptstadt Kathmandu, wie die Zeitung "Kathmandu Post" berichtete. Seit dem nepalesischen Neujahr am 13. April sei die Zahl der Neuinfektionen stark gestiegen, vor allem im Kathmandu-Tal, insbesondere mit der besonders ansteckenden indischen Variante.
Mit Blick auf die Diskussion um das geistige Eigentum an Impfstoffen und sonstigen Mitteln gegen Corona wandte sich die EU-Kommission erneut gegen eine Aussetzung von Patentrechten. "Die Probleme des Zugangs zu Impfstoffen werden nicht durch den Verzicht auf Patente gelöst; sie hängen vielmehr mit dem Mangel an ausreichenden Produktionskapazitäten zusammen", erklärte eine Sprecherin. Indien ist neben Südafrika Wortführer einer Initiative bei der Welthandelsorganisation in Genf. Ziel ist eine vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes auf Vakzine, Medizin, Diagnostika und Technologien gegen Covid-19, damit sie auch in ärmeren Ländern hergestellt werden können.
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