Frankfurt a.M. (epd). Für Corona-Geimpfte und Genesene rücken offenbar Lockerungen näher. Die Bundesregierung will bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag für diese Personengruppen Ausnahmen von den Beschränkungen vorschlagen, wie aus einem Eckpunktepapier hervorgeht, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Demnach könnten vollständig Geimpfte und Genesene zum Teil auch bessergestellt werden als negativ getestete Menschen. Unterdessen mehrten sich am Wochenende die Forderungen nach mehr Freiheiten für diese Gruppen sowie nach einer baldigen Aufhebung der Impfreihenfolge.
In der Vorlage heißt es, nach aktueller Feststellung des Robert Koch-Instituts sei davon auszugehen, dass Geimpfte und Genesene ein geringeres Risiko hätten, andere Menschen anzustecken als durch einen Antigentest negativ Getestete. Folglich sollten bereits geltende Erleichterungen für Menschen mit negativem Test auch für Geimpfte und Covid-19-Genesene gelten. Denkbar seien etwa Ausnahmen bei Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, Erleichterungen bei der Einreise und ein besserer Zugang zu Geschäften. Es ergebe sich aber "kein Anspruch auf bestimmte Öffnungen, z. B. von Schwimmbädern oder Museen".
"Weniger eingreifende Schutzmaßnahmen wie die Pflicht zur Tragung einer Mund-Nasen-Bedeckung oder Abstandsgebot werden auch für Geimpfte, Genesene und Getestete noch für einen längeren Zeitraum weiterhin gelten", heißt es weiter. Das Ministerium betonte, bei den geplanten Maßnahmen gehe es "nicht um die Einräumung von Sonderrechten oder Privilegien, sondern um die Aufhebung nicht mehr gerechtfertigter Grundrechtseingriffe".
Für Lockerungen der Schutzmaßnahmen für Geimpfte sprach sich auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, aus. Wenn die dritte Welle hoffentlich bald vorbei sei, wäre eine künftige Gleichstellung von Getesteten, Geimpften und gegebenenfalls auch Genesenen etwa beim Zugang zu Restaurants oder Geschäften "aus ethischer Sicht unproblematisch", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntag).
Der Städte- und Gemeindebund sowie der Landkreistag forderten ebenfalls, rasch weitreichende Erleichterungen für Geimpfte zu ermöglichen. Zur Kontrollierbarkeit solle "zügig der digitale Impfausweis etabliert werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Sonntag). Landkreistagspräsident Reinhard Sager verlangte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Impfgipfel eine "klare Verabredung" zu einem Lockdown-Ende für Geimpfte.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, die Impfkampagne nehme immer mehr Fahrt auf. "Sie ist der Schlüssel zur Überwindung der Pandemie", sagte sie am Samstag in ihrem wöchentlichen Video-Pocast, in dem sie die neue Corona-"Notbremse" als dringend notwendig verteidigte. Die "Notbremse" für bundesweit einheitliche Maßnahmen wurde am vergangenen Mittwoch vom Bundestag beschlossen und trat am Wochenende in Kraft.
Die niedergelassenen Ärzte in Deutschland forderten unterdessen eine baldige Komplett-Aufhebung der Impfpriorisierung für alle Vakzine. Dies solle spätestens in zwei bis drei Wochen geschehen, sagte Dirk Heinrich, Vorsitzender des Ärzteverbandes Virchowbund, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Sonntag). Ein Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), im Laufe des Junis die Priorisierung aufzuheben, komme "viel zu spät".
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich für eine Aufhebung der Impfreihenfolge ab Mai aus. "Nach dem Abarbeiten von bereits vereinbarten Impfterminen sollten alle Impfstoffe für jeden komplett freigegeben werden", sagte er der "Bild am Sonntag".
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, plädierte hingegen dafür, in der aktuellen Lage weiterhin an einer festen Impf-Reihenfolge festzuhalten. Solange es nicht genug Impfstoff gebe, müssten zuerst die Menschen mit einem hohen Risiko für schwere Erkrankungen geimpft werden, sagte er am Samstag im Deutschlandfunk.
Das Thema Impfungen soll am Montag im Mittelpunkt der Beratungen von Bund und Ländern über die Bekämpfung der Corona-Pandemie stehen. Die Regierungschefs und -chefinnen waren zuletzt am 22. März zusammengekommen.
epd mih